Wie Siegfried den Drachen erschlug und den Hort in den Rhein schüttete
Da ward der edle Siegfried so kühn zu neuem Krieg,
Dass er sein Schwert erfasste und zu dem Steine stieg.
Da fielen ab die Drachen, die zu ihm kamen gefahren,
Und flogen ihrer Straßen, daher sie gekommen waren.
Der Alte blieb alleine und schuf Siegfrieden Not:
Ihm gingen aus dem Halse große Flammen blau und rot;
Er stieß auch oft Siegfrieden, dass er am Boden lag.
Er war in solchen Nöten nie seines Lebens Tag.
Der wilde Drach so teuflisch mit seinem Schwanze focht,
Dass er Siegfried den Helden gar oft darein verflocht,
Und meint‘ ihn abzuwerfen wohl von dem Stein so hoch;
Siegfried sprang aus der Schlinge, eh er zusammenzog.
Siegfried der schlug mit Grimme den Wurm wohl auf das Horn.
Er mocht nicht länger bleiben, den Wurm zu schlagen vorn:
Er schlug ihn an der Seite wohl auf ein hörnern Dach;
Jedennoch musst er leiden vom Wurm groß Ungemach.
Er schlug das Horn so lange mit seinem Schwerte gut;
Auch war des Drachen Hitze, als wär geschürt die Glut
Mit einem Fuder Kohlen, das plötzlich stünd in Brand:
Das Horn erweichte völlig und kam herab gerannt.
Er hieb ihn voneinander wohl in der Mitt entzwei:
Da fiel er von dem Steine in Stücke mancherlei;
Dann stieß er mit den Füßen das andre hinterdrei.
Wie schnell zu Siegfried eilte das edle Mägdelein!
Er fiel vor großer Hitze und wusst nicht wo er war:
Vor Müdigkeit und Ohnmacht war er des Sinns so bar,
Dass er nicht sah noch hörte, kannt niemand auch zur Stund;
Sein Farb war ihm entwichen, kohlschwarz war ihm der Mund.
Da er nach langem Liegen sich wieder Kraft errang
Und aufrecht sitzen konnte, sein Herzlieb sucht‘ er lang:
Da sah er sie dort liegen so jämmerlich für tot.
Er sprach: „O Gott vom Himmel, weh meiner großen Not!“
Er legt‘ sich ihr zur Seiten und sprach: „Dass Gott erbarm!
Soll ich dich tot heimführen!“ Er hob sie in den Arm.
Da kam das Zwerglein Eugel und sprach zur selben Stund:
„Ich geb ein Kraut der Jungfrau, so wird sie bald gesund.“
Und da die edle Jungfrau die Wurz zum Munde nahm,
Gleich saß sie wieder aufrecht, indem sie zu sich kam.
Sie sprach: „Tu, werter Siegfried, mit deine Hilfe kund.“
Da umhalste sie ihn lieblich und küsst‘ ihn auf den Mund.
Da sprach zum kühnen Siegfried Eugel der edle Zwerg:
„Kupran der falsche Riese bezwang hier unsern Berg,
Darin wohl tausend Zwerge ihm wurden untertan:
Wir zinsten unser Eigen dem ungetreuen Mann.
Nun habt ihr uns erlöset, wir wurden alle frei:
Gern wollen wir euch dienen, so viel auch unser sei.
Ich will euch heim geleiten, euch und das Mägdelein:
Ich weiß euch Weg und Stege bis gegen Worms am Rhein.“
Da führt‘ er sie zu Hause wohl in den Berg hinein;
Er gab den beiden gerne seine Koste und auch den Wein
So gut mans möchte haben und je verlangen soll;
Wes nur das Herz begehrte, des war der Berg ihm voll.
Da nahm Herr Siegfried Urlaub vom Eugel dem König hehr
Und seinen zweien Brüdern, Königen wie er.
Da sprachen sie: „Herr Siegfried, ein Degen kühn im Streit,
Unser Vater Niblung ist uns gestorben vor Leid.
Hätt euch der Riese Kuperan gebracht in Todesnot,
So wären all die Zwerge jetzt hier im Berge tot,
Weil wir euch von dem Schlüssel bei Kuperan gesagt,
Der zu dem Stein gehöret, auf dem hier lag die Magd.
„Dem ist zuvorgekommen nun eure werte Hand:
Das müssen wir euch danken, edler König auserkannt.
Drum wolln wir euch begleiten und die Jungfrau wohlgetan:
Dass euch kein Leid geschehe, gehn mit euch tausend Mann.“
„Nein,“ sprach der kühne Siegfried, „ich reite gern allein.“
Die Jungfrau setzt er hinter sich und trieb die Zwerge heim;
Allein den König Eugel nahm zum Geleit er an.
Da sprach zu ihm Held Siegfried: „Nun sag mir, kleiner Mann,
Deiner Kunst lass mich genießen, Astronomie genannt:
Dort auf dem Drachensteine hast du heut früh erkannt
Die Stern und ihre Zeichen, wie mirs ergehen soll,
Mir und dem schönen Weibe: Wie lang hab ich sie wohl?“
Da sprach das Zwerglein Eugel: „Das will ich dir gestehn:
Du hast sie nur acht Jahre, das hab ich wohl gesehn.
So wird dir dann dein Leben gar mörderlich genommen,
So ganz ohn dein Verschulden wirst du ums Leben kommen.
Will deinen Tod dann rächen dein wunderschönes Weib,
Darum wird mancher Degen verlieren sein Leib,
So dass auf Erden nirgend ein Held am Leben bleibt:
Wo lebt ein Held auf Erden, der also ist beweibt?“
Siegfried der sprach behende: „Werd ich so bald erschlagen
Und dann so wohl gerochen, so will ich gar nicht fragen
Von wem ich werd erschlagen.“ Sprach Eugel noch: „O Held,
Auch dein Gemahl das schöne zuletzt im Sturme fällt.“
„Nun magst du heim dich wenden,“ sprach Siegfried zu dem Zwerg.
Sie schieden sich nicht gerne. Da kehrte zu dem Berg
Eugel der hehre König. Siegfrieden fiels nun ein,
Wie er den Schatz dort liegen gelassen hätt im Stein.
Nun hatt er zwei Gedanken: den einen auf Kuperan,
Den andern auf den Drachen: Wem gehört der Schatz wohl an?
Er dacht, ihn hätt gesammelt der Wurm nach Menschenwitz:
Wenn er zum Menschen würde, hilf ihm des Horts Besitz.
Er sprach: „Da ich mit Nöten den Drachenstein gewann,
Was ich darin gefunden, gehört mit Recht mir an.“
Er lief den Schatz zu holen, er und sein schönes Lieb,
Lud ihn dem Ross zu Rücken, das er dann vor sich trieb.
Da er nun kam zum Rheine dacht er in seinem Mut:
„Leb ich so kurze Jahre, was soll mir dann das Gut?
Und sollen alle Recken um mich verloren sein,
Wem soll das Gut dann frommen?“ Da schüttet ers in den Rhein.
Er wusst nicht, es gehöre den Königen im Berg,
Denen es anerstorben von Niblung war dem Zwerg.
Sein Sohn der König Eugel hatt auch darauf nicht Acht:
Die Schätze, meint‘ er, lägen noch tief im Bergesschacht.