Der hörnerne Siegfried: Das siebente Abenteuer

Wie Siegfried den Drachen erschlug und den Hort in den Rhein schüttete


Da ward der edle Siegfried   so kühn zu neuem Krieg,
Dass er sein Schwert erfasste   und zu dem Steine stieg.
Da fielen ab die Drachen,   die zu ihm kamen gefahren,
Und flogen ihrer Straßen,   daher sie gekommen waren.

Der Alte blieb alleine   und schuf Siegfrieden Not:
Ihm gingen aus dem Halse   große Flammen blau und rot;
Er stieß auch oft Siegfrieden,   dass er am Boden lag.
Er war in solchen Nöten   nie seines Lebens Tag.

Der wilde Drach so teuflisch   mit seinem Schwanze focht,
Dass er Siegfried den Helden   gar oft darein verflocht,
Und meint‘ ihn abzuwerfen   wohl von dem Stein so hoch;
Siegfried sprang aus der Schlinge,   eh er zusammenzog.

Siegfried der schlug mit Grimme   den Wurm wohl auf das Horn.
Er mocht nicht länger bleiben,   den Wurm zu schlagen vorn:
Er schlug ihn an der Seite   wohl auf ein hörnern Dach;
Jedennoch musst er leiden   vom Wurm groß Ungemach.

Er schlug das Horn so lange   mit seinem Schwerte gut;
Auch war des Drachen Hitze,   als wär geschürt die Glut
Mit einem Fuder Kohlen,   das plötzlich stünd in Brand:
Das Horn erweichte völlig   und kam herab gerannt.

Er hieb ihn voneinander   wohl in der Mitt entzwei:
Da fiel er von dem Steine   in Stücke mancherlei;
Dann stieß er mit den Füßen   das andre hinterdrei.
Wie schnell zu Siegfried eilte   das edle Mägdelein!

Er fiel vor großer Hitze   und wusst nicht wo er war:
Vor Müdigkeit und Ohnmacht   war er des Sinns so bar,
Dass er nicht sah noch hörte,   kannt niemand auch zur Stund;
Sein Farb war ihm entwichen,   kohlschwarz war ihm der Mund.

Da er nach langem Liegen   sich wieder Kraft errang
Und aufrecht sitzen konnte,   sein Herzlieb sucht‘ er lang:
Da sah er sie dort liegen   so jämmerlich für tot.
Er sprach: „O Gott vom Himmel,   weh meiner großen Not!“

Er legt‘ sich ihr zur Seiten   und sprach: „Dass Gott erbarm!
Soll ich dich tot heimführen!“   Er hob sie in den Arm.
Da kam das Zwerglein Eugel   und sprach zur selben Stund:
„Ich geb ein Kraut der Jungfrau,   so wird sie bald gesund.“

Und da die edle Jungfrau   die Wurz zum Munde nahm,
Gleich saß sie wieder aufrecht,   indem sie zu sich kam.
Sie sprach: „Tu, werter Siegfried,   mit deine Hilfe kund.“
Da umhalste sie ihn lieblich   und küsst‘ ihn auf den Mund.

Da sprach zum kühnen Siegfried   Eugel der edle Zwerg:
„Kupran der falsche Riese   bezwang hier unsern Berg,
Darin wohl tausend Zwerge   ihm wurden untertan:
Wir zinsten unser Eigen   dem ungetreuen Mann.

Nun habt ihr uns erlöset,   wir wurden alle frei:
Gern wollen wir euch dienen,   so viel auch unser sei.
Ich will euch heim geleiten,   euch und das Mägdelein:
Ich weiß euch Weg und Stege   bis gegen Worms am Rhein.“

Da führt‘ er sie zu Hause    wohl in den Berg hinein;
Er gab den beiden gerne   seine Koste und auch den Wein
So gut mans möchte haben   und je verlangen soll;
Wes nur das Herz begehrte,   des war der Berg ihm voll.

Da nahm Herr Siegfried Urlaub   vom Eugel dem König hehr
Und seinen zweien Brüdern,    Königen wie er.
Da sprachen sie: „Herr Siegfried,   ein Degen kühn im Streit,
Unser Vater Niblung   ist uns gestorben vor Leid.

Hätt euch der Riese Kuperan   gebracht in Todesnot,
So wären all die Zwerge   jetzt hier im Berge tot,
Weil wir euch von dem Schlüssel   bei Kuperan gesagt,
Der zu dem Stein gehöret,   auf dem hier lag die Magd.

„Dem ist zuvorgekommen   nun eure werte Hand:
Das müssen wir euch danken,   edler König auserkannt.
Drum wolln wir euch begleiten   und die Jungfrau wohlgetan:
Dass euch kein Leid geschehe,   gehn mit euch tausend Mann.“

„Nein,“ sprach der kühne Siegfried,   „ich reite gern allein.“
Die Jungfrau setzt er hinter sich   und trieb die Zwerge heim;
Allein den König Eugel   nahm zum Geleit er an.
Da sprach zu ihm Held Siegfried:   „Nun sag mir, kleiner Mann,

Deiner Kunst lass mich genießen,   Astronomie genannt:
Dort auf dem Drachensteine   hast du heut früh erkannt
Die Stern und ihre Zeichen,   wie mirs ergehen soll,
Mir und dem schönen Weibe:   Wie lang hab ich sie wohl?“

Da sprach das Zwerglein Eugel:   „Das will ich dir gestehn:
Du hast sie nur acht Jahre,   das hab ich wohl gesehn.
So wird dir dann dein Leben   gar mörderlich genommen,
So ganz ohn dein Verschulden   wirst du ums Leben kommen.

Will deinen Tod dann rächen   dein wunderschönes Weib,
Darum wird mancher Degen   verlieren sein Leib,
So dass auf Erden nirgend   ein Held am Leben bleibt:
Wo lebt ein Held auf Erden,   der also ist beweibt?“

Siegfried der sprach behende:   „Werd ich so bald erschlagen
Und dann so wohl gerochen,   so will ich gar nicht fragen
Von wem ich werd erschlagen.“   Sprach Eugel noch: „O Held,
Auch dein Gemahl das schöne   zuletzt im Sturme fällt.“

„Nun magst du heim dich wenden,“   sprach Siegfried zu dem Zwerg.
Sie schieden sich nicht gerne.    Da kehrte zu dem Berg
Eugel der hehre König.   Siegfrieden fiels nun ein,
Wie er den Schatz dort liegen   gelassen hätt im Stein.

Nun hatt er zwei Gedanken:   den einen auf Kuperan,
Den andern auf den Drachen:   Wem gehört der Schatz wohl an?
Er dacht, ihn hätt gesammelt   der Wurm nach Menschenwitz:
Wenn er zum Menschen würde,   hilf ihm des Horts Besitz.

Er sprach: „Da ich mit Nöten   den Drachenstein gewann,
Was ich darin gefunden,   gehört mit Recht mir an.“
Er lief den Schatz zu holen,   er und sein schönes Lieb,
Lud ihn dem Ross zu Rücken,   das er dann vor sich trieb.

Da er nun kam zum Rheine   dacht er in seinem Mut:
„Leb ich so kurze Jahre,   was soll mir dann das Gut?
Und sollen alle Recken   um mich verloren sein,
Wem soll das Gut dann frommen?“   Da schüttet ers in den Rhein.

Er wusst nicht, es gehöre   den Königen im Berg,
Denen es anerstorben   von Niblung war dem Zwerg.
Sein Sohn der König Eugel   hatt auch darauf nicht Acht:
Die Schätze, meint‘ er, lägen   noch tief im Bergesschacht.

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