Wie der Wurm gefahren kam und Niblungs Söhne den Hort aus dem Berge trugen
Da nun der Degen Siegfried den obern Stein gewann,
Da trat er wohl gezogen wohl vor die Magd heran:
„Du schönste aller Frauen, dein Weinen lass nun sein:
Ich bin jetzund genesen durch dich, schön Mägdelein.
Nun helf ich dir auch balde aus dieser großen Not,
Oder deinetwillen erleid ich hier den Tod.“
„Nun lohne Gott dir, Siegfried, ein Ritter unverzagt;
Ich fürcht auf meine Treue, dass uns groß Leid noch plagt.“
Da sprach der Degen Siegfried: „Naht uns denn neuer Streit,
Das ist mir in der Wahrheit von ganzem Herzen leid.
Nun bin ich doch gewesen bis an den vierten Tag
Ohn Trinken und ohn Essen, dass ich der Ruh nicht pflag.“
Darum erschrak da Eugel, der gute Zwerg so klein,
Und auch die hehre Jungfrau, um Siegfrieds große Pein.
Da sprach der Zwerg zu Siegfried: „Ich bring euch gute Speis
Her nach dem hohlen Steine, die beste, die ich weiß.
Ich geb euch Essen und Trinken auf vierzehn Tag genug.“
Her aus dem hohlen Berge er ihm das Essen trug.
Ihm dienten dazu Tische viel kleine Zwerglein gut;
Dazu nahm auch die Jungfrau Siegfrieden wohl in Hut.
Eh sie gegessen hatten, vernahm man lauten Schall
Als fiele das Gebirge rings über sie zutal.
Darob erschrak da heftig das schöne Mägdelein.
Sie sprach: „Ach lieber Herre, nun wirds eur Ende sein.
Und wenn uns beiden dienstbar auch wär die ganze Welt,
Wir wären doch verloren, das wisse, kühner Held.“
Da sprach der edle Siegfried: „Wer nähm uns wohl das Leben,
Das uns Gottes Güte auf Erden hat gegeben?“
Da wischt‘ er ihr vom Antlitz die Tränen und den Schweiß,
Der minniglichen Jungfrau; der war vor Ängsten heiß.
Er sprach: „Du sollst nicht trauern, dieweil ich bei dir bin.“
Die Zwerge, die bei Tische gedient, die flohen hin.
Als so die zwei Herzlieben in ihrem Gespräche waren,
Da kam von dreien Meilen der Drach einher gefahren.
Das sah man an dem Feuer, das von ihm fuhr so schnell:
Wohl dreier Spieß lang brannte vor ihm das Feuer hell.
Das macht‘ er war verfluchet in teuflische Art;
Auch musst er allzeit dulden des Teufels Gegenwart
In Gestalt eines feurigen Drachen; doch schuf es ihm nicht Pein
An Seel‘, Vernunft und Sinnen: Die mussten willig sein.
Die konnt er alle brauchen wie sonst nach Menschenart,
Einen Tag und auch fünf Jahre, bis er zum Menschen ward,
Ein schöner Jüngling wieder, wie man vergebens sucht.
Von Buhlschaft wars gekommen, ihn hatt ein Weib verflucht.
Der Drache hielt sie menschlich um ihren schönen Leib,
Wenn die fünf Jahr vergingen, dass er sie nähm zum Weib.
Derweil wollt er sie halten, dass er ein Drache wär,
Dass er sie dann möcht freien; es geschäh sonst nimmermehr.
Da ihm Herr Siegfried jetzo die Jungfrau nehmen wollt,
Die er so lang gespeiset und sie zu Worms geholt,
Da kam er also grimmig hin an den Stein gefahren:
Mit Hitz wollt er verbrennen die auf dem Steine waren.
Nun trug die Jungfrau Sorge; den Rat sie Siegfried gab:
Sie sollten sich verbergen (dass er sie nicht hinab
Im Fluge beide stieße) in eine Höhle dort,
Die unterm Drachensteine ging im Gebirge fort,
Sich vor dem Wurm zu fristen und auch vor seiner Hitz.
Da kam der Ungeheure nach teuflischem Witz
Mit Feur zum Stein gefahren: Der Stein erbebte gar,
Dass er, so lang die Welt stand, nicht so zerrüttet war.
Nun hatte mitgenommen Siegfried des Drachen Schwert,
Das ihm Kuperan gewiesen und seinen Tod begehrt:
Hoch auf dem Drachensteine der Held sich bücken sollt
Zum Schwert, weil er vom Steine ihn niederstoßen wollt.
Nun sprang her aus der Höhlen Siegfried mit diesem Schwert:
Mit großen, grimmen Schlägen der Held des Wurms begehrt.
Der Wurm mit scharfen Krallen den Schild ihm niederreißt,
Dass ihm vor großen Ängsten das Wasser heiß entfleußt.
Der Stein ward über allen so heiß wie eine Glut,
Wie man ein glühig Eisen wohl aus der Esse tut.
Der Wurm der ungeheure die Hitze schuf so groß,
Und immer auf Siegfrieden das höllische Feuer schoss.
So hatten sie auf dem Steine und auf dem hohlen Berg
Ein ungestümes Wesen, dass mancher wilde Zwerg
Herauslief nach dem Walde: Die Angst schuf ihnen Not,
Der Berg fiel‘ zusammen, so stürben sie den Tod.
Nun waren Niblungs Söhne zwei in dem Berge dort,
Das waren Eugels Brüder; die hüteten den Hort
Ihres Vaters Niblung: als den Berg sie schwanken sahen,
Die beiden Könge ließen hinaus die Schätze tragen
Nach einer großen Höhle dort in der Felsenwand
Unter dem Drachensteine, wo ihn dann Siegfried fand,
Wie ihr hernach sollt hören. Nur Eugel wusst, der Zwerg,
Nicht ab von ihrem Fliehen, wie sie geleert den Berg,
Und wie sie in der Höhle des Vaters Schatz verborgen.
Er hatte sich getragen des Wurmes halb mit Sorgen.
Denn alle mussten fürchten, dass er Siegfried brächt in Nöten,
So würde dann die Zwerge der Wurm zumal ertöten,
Weil er mit ihrer Hilfe das Frauenbild verlor.
Denn es kannte wohl der Drache Steig und Felsentor:
Wenn er sich kühlen wollte, so lag er in dem Gang,
Dieweil sie war entschlafen. Er bleib von ihr nicht lang,
Als wenn er Speise holte. War es dann Winterszeit,
So saß sie unterm Steine wohl fünfzig Klafter weit,
Und er lag vor dem Loche und hielt ihr auf die Kält.
Wir müssens neu beginnen, wenn euch das Lied gefällt.
Der Stein ward ganz erleuchtet: Da musst am End Siegfried
Die große Hitze fliehen, die er vom Drachen litt:
Der trieb ihm stets entgegen die Flammen blau und rot.
Der Held musst sich verbergen, des zwang ihn große Not.
Die Jungfrau mit Siegfrieden floh in den Berg hinab,
Bis sich des Drachen Hitze derweil gemindert hab.
Er trat in eine Kammer und fand den großen Schatz.
Er meint‘, der Drache hätt ihn gesammelt auf dem Platz.
Den Schatz hielt er geringe; da sprach das Mägdelein:
„Herr Siegfried, edler Degen, uns naht erst große Pein.
Er ist bei sechzig Jungen, die haben alle Gift;
Sind sie noch auf dem Steine, eure Kraft es übertrifft.“
„Nun hab ich stets vernommen,“ so sprach der Held erkoren,
„Wer sich auf Gott verlasse, der sei noch nicht verloren.
Und sollen wir beide sterben, so sei es Gott geklagt,
Dass ich dich schützen wollte, du auserwählte Magd.“