Wie Siegfried hörnern ward
Es saß im Niederlande ein König wohlbekannt,
Sehr mächtig und gewaltig, Siegmund war er genannt.
Der gewann mit seiner Frauen ein Kind, das hieß Siegfried:
Des Wesen sollt ihr hören allhie in diesem Lied.
Der Knabe war mutwillig, dazu so stark und groß,
Dass sein Vater und Mutter des Dinges sehr verdross.
Er wollte keinem Menschen sein Tag sein untertan,
Ihm stand sein Sinn und Willen nur dass er zög hindann.
Des Königs Räte sprachen: „Nun, lasst ihn immer ziehn,
So er nicht will verbleiben, das ist der beste Sinn.
Lasst ihn sich versuchen, das bändigt ihn fürwahr,
Er wird ein kühner Weigand, gibt er noch etliche Jahr.“
So schied alsbald von dannen der junge kühne Mann.
Da lag vor einem Walde ein Dorf, das lief er an.
Er kam zu einem Schmiede, dem wollt er dienen recht,
Ihm auf das Eisen schlagen wie ein andrer Schmiedeknecht.
Er schlug entzwei das Eisen, dem Amboss in den Grund:
Wenn man darum ihn strafte, die Lehr er nicht verstund.
Er schlug den Knecht und Meister, und trieb sie her und hin.
Wie er sein ledig würde, das lag dem Meister im Sinn.
Da lag bei einer Linden ein merklich großer Drach:
Da schickt‘ ihn hin der Meister, da sollt er fragen nach.
Ein Köhler saß im Walde, des sollt er warten eben:
Bei derselben Linde, da sollt er ihm Kohlen geben.
Der Schmied gedachte sicher, der Wurm gäb ihm den Tod.
Als er nun kam zur Linde, er schuf dem Wurme Not:
Alsbald tät ihn erschlagen der junge kühne Mann.
Da dacht er an den Köhler und ging zu ihm in den Tann.
Er kam in eine Wildnis, wo so viel Drachen lagen,
Lindwürme, Kröten, Nattern, als er bei seinen Tagen
Noch je gesehen liegen zwischen Bergen in dem Tal.
Viel Bäum er trug zusammen, die riss er aus überall
Und warf sie auf die Würme, dass ihm keiner mocht entfahren:
Sie mussten alle bleiben, so viel als ihrer waren.
Da lief er hin zum Köhler, bei dem er Feuer fand:
Das Holz ward angezündet und all die Würmer verbrannt.
Der Würmer Horn erweichte, floss als ein Bächelein:
Das wunderte Siegfrieden, einen Finger stieß er drein.
Da der Finger nun erkaltete, da ward er ihm wie Horn.
Da bestrich er mit dem Bächlein den Leib sich hinten und vorn:
Da ward er allwärts hörnern, nur zwischen den Schulten nit,
Daher er an der Stelle hernach den Tod erlitt,
Wie man in andern Liedern hernach wohl hören soll.
Er zog zu König Gibich und war aller Mannheit voll.
Dem König dient‘ er willig die schöne Tochter ab,
Bis dass der König Gibich ihm die zum Weibe gab.
Das währte wohl acht Jahre; nun hört, was da erging:
Eh sie ihm ward zu Teile begann er wunderlich Ding.
Nun mögt ihr gerne hören von dem Nibelungenhort,
Man sah bei keinem Kaiser so reichen Schatz hinfort.
Den fand Siegfried der kühne bei einer steinen Wand;
Ein Zwerg hielt ihn verschlossen, der war Niblung genannt.
Da Niblung den Zwergen im Berg der Tod vertrieb,
Er ließ drei junge Söhne, denen war der Schatz auch lieb.
Sie saßen in dem Berge zu hüten Niblungs Hort,
Um den sich bei den Heunen hub jämmerlicher Mord
An manchem kühnen Helden; die wurden da erschlagen
Im Sturm und harten Streiten, wie ihr noch höret sagen.
Niemand entging lebendig, das ist uns wohl bekannt,
Als Dieterich von Berne und der Meister Hildebrand.