Wie Gunther Hagen bewegte
Als Gunther kam geritten und Hagen sitzen fand
So traurig auf dem Schilde dort an der Felsenwand,
Da bat er den Getreuen aus ganzer Herzensmacht,
Mit ihm zu gehn und nochmals zu erneun die blutge Schlacht.
Da sprach zu seinem König der zürnende Mann:
„Nicht also, Herr, ich gleiche meinem Vater Aldrian:
Der trug auch eitel Zagen in seiner kalten Brust,
Hat stets mit schönen Worten den Kampf zu meiden gewusst.
Ich tauge nicht zu Schlachten, du hast es selbst gesagt:
Drum such dir andre Helfer, heißmutig, unverzagt;
Ich zittre, wenn ich sehe, dass sich ein Schwert entblößt,
Das ward mir mit der Muttermilch schon in die Seele geflößt.“
So weigerte sich Hagen: Herr Gunther ließ nicht nach
Und sucht‘ ihn zu begüten indem er freundlich sprach:
„O nicht in dieser Stunde gedenke meiner Schuld,
Bei aller Lieb und Treue und bei der Himmlischen Huld!
Was ich im Zorn geredet bedachtlos, übereilt,
Wenn wir nach Hause kommen, ich büß es unverweilt.
Mit Burgen und mit Städten bezahl ich dir das Wort;
Jetzt denk an der Genossen, der Freunde blutigen Mord.
„Auf diesen Wütrich wende den Grimm statt auf den Herrn:
Ich bin genug gezüchtigt: Geneigt hat sich mein Stern.
Die stolze Macht der Franken, so lang das Haupt der Welt,
Der hat die stärksten Säulen der eine Fremdling gefällt.
Noch ist der kleinste Schade so vieler Helden Tod:
Der Schimpf im eignen Lande, das ist die größte Not.
Nun zischen wohl die Franken bei unsrer Wiederkehr,
Ungestraft erschlagen hab uns ein Mann das ganze Heer.“
Herr Hagen schwieg: Im Herzen erwog er oft aufs neu
Die Walthern in der Jugend so oft gelobte Treu.
Doch auch des Herrn gedacht er, und was hier war geschehn,
Und wie er die Genossen, den Neffen sterben gesehn.
Herr Gunther sah ihn schwanken, da bat und fleht‘ er ihn
Bis sich vor seinem König der Held zu schämen schien.
Die Ehre zu verlieren auch fühlt‘ er sich bedroht,
Wenn er sich sparen wollte bei also dringender Not.
Da brach sein langes Schweigen der Degen und begann:
„Wozu, gewaltger König, verführst du deinen Mann?
Ich folge dem Gebieter; doch sprich, wohin ich soll?
Wer in den Abgrund spränge, nennst du den kühn oder toll?
Ich weiß den Gotenfürsten so fürchterlich im Feld:
Wie er da steht, von Felsen im engen Tor umstellt,
Scheut er ein ganz Geschwader wie einen Mann, nicht mehr.
Und käm zu Fuß, zu Rosse der Franken mächtiges Heer,
Es würde dem geschehen wie diesen hier geschah.
Doch weil ich seh, die Schande geht deinem Herzen nah,
Und näher als der Schade, und dass du so von hier
Nicht scheiden willst geschlagen, so hab ich Mitleid mit dir,
Und mehr gilt deine Ehre mir als das eigne Leid.
Schon denk ich nach dem Wege zum Sieg in diesem Streit;
Doch der ist nicht zu finden als diesen Höhen fern.
Um den geliebten Neffen, gestehen will ichs dem Herrn,
Hätt ich dem Freund die Treue gebrochen nimmerdar;
Doch dir zu Lieb begeb ich mein Leben in Gefahr.
Nur wisse, nicht gelegen ist dieser Ort zum Streit:
Wir ziehen ab, und lassen auch ihm zum Abzuge Zeit.
So weiden wir die Rosse und spähn, wohin er zieht,
Wenn er die enge Felsburg verlassend heimwärts flieht.
Er wird uns ferne wähnen: Wenn dann ins offne Feld
Sich wagt mit seinem Horte und mit der Jungfrau der Held,
So folgen wir im Rücken und plötzlich stehn wir da,
Wenn er erneuten Angriffs sich längst nicht mehr versah.
Dann mögen wir versuchen ob ihn ein Schwert verletzt:
Auf diesen Anschlag hab ich all meine Hoffnung gesetzt.
Dann magst du kämpfen, König, wenn dich der Kampf erfreut.
Ich weiß, dass er uns beiden zu stehen sich nicht scheut.
Doch uns ist Not zu fliehen, wo nicht, ein Herz voll Mut.“
Der Rat gefiel dem König, er schien ihm dienlich und gut.
Da umhalst er den Getreuen, mit einem freudgen Kuss
Den neuen Bund besiegelnd und solcher Tat Beschluss.
Sie zogen ab und fanden auf schattgen Höhen bald
Den Pferden süße Weide, sich selbst bequemen Hinterhalt.