Wie Walther die letzten vier Helden besteht
Das schreckte nicht die Franken, die jetzt auf Helmnot baun,
Dem ungefügen Neunten; man durft ihm wohl vertraun:
Er warf den mächtgen Dreizack am dreifachen Seil
Gewaltig durch die Lüfte, und wen er traf, der ward nicht heil.
Des Seiles Enden sollten ihm der Gefährten drei
Im Rücken stehend halten: wenn es gelungen sei
Und die geworfnen Haken fest säßen in dem Schild,
Dass sie aus Kräften zögen den Feind hinab ins Gefild.
Von solcher List erhofften sie den gewissen Sieg.
Herr Helmnot ohne Säumen das Leichenfeld erstieg,
Und wie er sich die Arme mit aller Kraft durchgoss,
Wägt‘ er mit beiden Händen das ungewisse Geschoss:
„Dies Eisen lehrt dich sterben, Kahlkopf,“ rief er aus.
Da flog die Lüfte teilend der Dreizack hin im Saus,
So schießt die Schlange zischend vom Baum auf ihren Raub,
Dem lang sie aufgelauert aus dicht verhüllendem Laub.
Was weiter? Nicht verfehlte der Wurf das nahe Ziel:
Das Schildgehäuse dröhnte, in das der Dreizack fiel,
Tief bohrt‘ es in die Buckel sich mit den Haken ein:
Vom Siegsgeschrei der Franken erscholl der Berg und der Hain.
Sie werfen Schild und Waffe zu Boden unbedacht
Und ziehen an den Seilen zumal mit ganzer Macht,
Dass von den Stirnen triefend der Schweiß zu Boden fällt;
Der König hatte selber sich solcher Arbeit gesellt.
Doch an den Boden wurzelnd stand Walther als ein Baum,
Der stolz die Krone breitet in freiem Himmelsraum.
Zur Wette zogen jene und mahnten sich: „Den Schild
Nur erst herab! So fangen wir uns lebendig das Wild.“
Die an den Seilen zogen, die sei’n euch jetzt benannt:
Herr Helmnot der Neunte, der ist euch schon bekannt.
Der zehnte war von Straßburg Drogo, der schnelle Mann,
Tannast von Speyer der elfte, ein starker Ast aus dem Tann.
Der Zwölfte war Herr Gunther, dem Hagen zum Ersatz.
Die Vier am Seile mühten sich ab in großer Hatz.
Sie zogen all an einem und schrieen und lärmten laut.
Verächtlich hatt er lange das eitle Mühen geschaut;
Jetzt währt‘ es ihm zu lange: Er ließ, des Helmes bloß,
Auf Schwert und Panzer trauend, den Schildrand plötzlich los:
Da stürzten sie zu Boden, die Vier am schnöden Seil.
Frohlockend sah es Walther: Da sprang er näher in Eil.
Den er zuerst erreichte, wer war es? Helmnot:
Dem ward der Helm gespalten, und zu noch größrer Not
Durch Haupt und Nacken sauste der mörderische Stahl.
Das Blut entfloss in Strömen und Leid und Leben zumal.
Da wandt er sich zu Drogo, der fest im Seile hing
Und dem des Freundes Sterben zu Herzen schreckvoll ging.
Doch größer war der Schrecken, als jetzt der grimme Feind
Da stand mit bloßem Schwerte, ihn selbst zu treffen gemeint.
Im Seil verstrickt versucht‘ er zu fliehn und Schild und Schwert
Zu holen: Also hätt er des Helden sich erwehrt;
Doch schneller war Herr Walther; auch stärker mocht er sein,
Er schwang das Schwert und hieb ihm die Wade nieder vom Bein.
Dann lief er dem Gelähmten voraus, der schnelle Gast,
Und eh ihn der erreichte hatt er den Schild gefasst.
Der wunde Drogo sah es; doch war er nicht so wund,
Einen ungefügen Feldstein riss er empor aus dem Grund
Und warf ihn, dass in Stücke sein eigner Schildrand ging
Und nur noch an der Stierhaut das Holzgestelle hing.
Dann kniet‘ er rasch zur Erde, ergriff sein Schwert und schwang
Es aus der grünen Scheide, dass hell die Luft ihm erklang.
Und konnt er nicht bewähren der Seele heißes Glühn,
Doch zeigte sein Gebaren wie stolz er war und kühn.
Ob ihn der Tod anlachte, er übersah es wild.
„Dass mir der Freund nun käme, oder hätt ich noch meinen Schild!
Der Zufall hat den Sieg dir, nicht die gepriesne Kraft
Über Drogos Stärke,“ rief er ergrimmt, „verschafft.
Nun hole zu dem Schilde dir auch mein gutes Schwert.“
„Ich komme,“ rief er lachend, vom jenem Wurf unversehrt.
Herr Walther kam und schlug ihm den hoch geschwungnen Arm
Darnieder samt dem Schwerte: So schuf es ihm nicht Harm.
Doch jetzt zum andern Hiebe sprang der Gewaltge vor:
Der scheidenden Seele wollt er erschließen das Tor.
Da kam, ihn zu beschirmen, der Freund, den er verlangt
(Er hatte mit dem König nach Schwert und Schild gelangt),
Herr Tannast kam und deckte den Freund vor Walthers Streich.
Doch auf den Schirmer kehrte den Zorn der Schreckliche gleich
Und hieb ihm aus der Achsel heraus das Schulterblatt;
Dann fuhr, die Flanke spaltend, die Klinge scharf und glatt
Ihm tief ins Eingeweide: Da fiel er auf den Plan.
„Lebwohl!“, so grüßt‘ er scheidend den Freund und blickt‘ ihn zärtlich an.
Da fleht‘ ums liebe Leben Herr Drogo nicht, er schalt
Und reizte noch den Sieger, ders mit dem Tod vergalt:
Er drückt‘ ihm um die Kehle der Kette Goldgeflecht:
„Der Hölle spar’s und melde wie du die Brüder gerächt.“
Da wälzte sich im Staube das Freundespaar gesellt
Und schlug mit beiden Füßen das blutge Leichenfeld.
Mit Seufzen sahs Herr Gunther: Er sprang zu Ross und maß
Den kurzen Weg zu Hagen, der abseits trauernd noch saß.