Wie die Briefe verlesen wurden
Zehn hundert Ritter hatte der Berner lobesam,
Die gern zu allen Streiten ihm waren untertan.
Sie saßen an der Tafel, da solche Märe kam:
Sie wollten drüber springen vor Freud, als mans vernahm.
„Um Gott, nun sitzet stille,“ sprach Herr Dieterich,
„Wollt ihr die Märe hören; die ist so wonniglich.“
Da taten sie geflissen wes sie der Degen bat.
Herr Dietrich von Berne zu der Tafel Mitte trat.
Er sprach: „Nun merket alle, uns ist ein Brief gesandt:
Solches Abenteuer kam nie in dieses Land.
Den Brief soll uns verlesen ein gelehrter Mann.“
Da sprang herbei geschwinde des Berners Kapellan.
Als der gute Schreiber den Botenbrief erbrach,
Hei, wie laut er lachte! Nun höret wie er sprach:
„Es steht in diesem Briefe des Wunders also viel:
Wer Ritter ist geworden, oder Ritter werden will,
Der soll die Märe hören und näher zu mir gehn.“
Sie sprachen all: „Sas mag denn wohl in dem Briefe stehn?“
„Eine Königin vom Rheine hat Boten hergesandt.
Es steht in diesem Briefe, ihr Recken auserkannt:
Mit Rosen einen Anger hege die schöne Maid,
Von einer Meilen Länge, eine halbe wär er breit.
Um den geh statt der Mauer ein Seidenfaden fein:
Sie trotze allen Fürsten, es komm ihr keiner hinein.
Des Gartens hüten zwölfe der allerkühnsten Degen,
Die man am ganzen Rheine mag finden allerwegen.
Der erste ist Herr Gibich, der ist euch wohl bekannt,
Dem dienen dort am Rheine die Burgen und das Land.
Der andre das ist Gunther, ein Degen kühn im Streit,
Der dritte heißet Gernot, zu aller Not bereit.
Der vierte heißet Hagen, der zagt in keiner Not,
Der fünfte heißt Volker, der wundet auf den Tod.
Der sechste heißet Pusold, ein Ries unmäßig groß,
Und Struthan heißt der siebente, den Streitens nimmer verdross.
Der achte heißet Ortwein, von dessen Kraft man sagt,
Der neunte das ist Asprian, der ist gar unverzagt.
Der zehnte heißet Walther, der Held vom Wasgenstein,
Der kühnsten Recken einer wohl auf und ab am Rhein.
Der elfte das ist Stutfuchs, der weiß zu streiten wohl:
Er gibt in harten Stürmen den Recken schweren Zoll.
Der zwölfte heißet Siegfried, ein Held von Niederland,
Der stets nach Ehren streitet mit seiner freien Hand.
Er pflegt so großer Stärke, dass er die Löwen fängt
Und sie mit den Schwänzen über die Mauern hängt.
Die starken Recken sollen des Gartens Hüter sein:
Sie trotzt allen Fürsten, es komm ihr keiner drein.
Nun sollt ihr zwölfe senden, die ihren Helden gleich.“ –
„Was sollen sie da machen, in König Gibichs Reich?“ –
„Und siegen diese Zwölfe jenen Zwölfen ob,
Rosen zu einem Kranze gibt jedem zu dem Lob,
Ein Halsen auch und Küssen die junge Königin:
Dazu vor allen Recken noch lange preist man ihn.“
„Nun küsse sie ein andrer,“ sprach da Wolfhart,
„Mag ich des ledig würden, so bleib ich von der Fahrt.
Solcher Abenteuer mag ich wohl ohne sein:
Würd ich um sie verhauen, das wär zu scharfe Pein.
Fand ihr der leide Teufel so wunderlichen Fund?
Ich weiß mir noch zu Berne wohl einen rosgen Mund.
Wir haben hier zu Lande so manche schöne Maid
Und jede trägt die Krone mit köstlichem Geschmeid.
Mit denen will ich tanzen und scherzen früh und spät.“ –
„Nun leset weiter, Meister, was in dem Briefe steht.“ –
„Kriemhild hat euch entboten und lässt euch Märe sagen,
Ihr dürftet ehr zu Hause einen Kranz von Nesseln tragen
Als dort bei den Burgonden die lichten Rosen rot:
Ihr müsstet sie erfechten und kämt darum in Not.
Die der Rosen hüten, die können fechten wohl,
Und die der Rosen brechen, die zahlen schweren Zoll.“
„Das hör ich gerne sagen,“ sprach Meister Hildebrand:
„Ich freue mich der Märe, die man uns hat gesandt.
Es fügt sich nun von selber was mein Herz erbeten hat;
Ich denke, Neffe Wolfhart, nun wirst du Fechtens satt.“
„Nun lasst die Rede bleiben, Oheim Hildebrand,
Ich will der Rosen willen nicht fahren in das Land.
Wollt ich nach Worms hin reiten um einen Rosenkranz,
Eh will ich hier zu Hause den Schädel halten ganz.“
„Leset, lieber Meister,“ sprach Dieterich der Degen,
„Wes sollen die zwölf Recken in den Rosen pflegen?“ –
„Wem da der Sieg gelinget, der soll gepriesen sein,
Ihn küsst eine Jungfrau und setzt ihm auf ein Kränzelein.“
„Nun küsse sie der Teufel!“, sprach da Wolfhart,
„Zieh dahin wer wolle, ich bin nicht bei der Fahrt.“
Da sprach der kühne Wittich: „Dasselbe Recht sei mein:
Ich kann ihr Küssen missen, man lasse mich daheim.“
„Du darfst es nicht verschwören,“ sprach Meister Hildebrand,
„Es hat die schöne Kriemhild zumal nach dir gesandt.
Ich denke doch zu reiten gen Worms an den Rhein:
Da bring ich meiner Frauen ein Rosenkränzelein.“
Da sprach Alphart der junge: „Gern möcht ich mit euch ziehn;
Wolfhart, lieber Bruder, willst du nicht auch dahin?“
„Ich gebe, Bruder Alphart, dir kurz darauf Bericht:
Ihren Kuss mag ich entbehren; ihres Streits entbehr ich nicht.“
„Ei, nomine domini Amen,“ sprach Herr Dieterich,
„Was wollen mir die Frauen? Die sind so wunderlich,
Dass ihrer selten eine will nehmen einen Mann,
Erst soll ich ihn bestehen, ich hab es längst denn getan.
Schlägt er mich zu Tode, oder haut mich fährlich wund,
So küsst er sie gar lieblich auf ihren roten Mund;
Dazu wird ihm zu Lohne ein lichter Rosenkranz.“
„So bleibt daheim und haltet hier eure Krone ganz;
Ich aber will zum Rheine,“ sprach Meister Hildebrand,
„Dass mir die schönen Frauen da werden wohlbekannt.
Vielleicht gibt mir von Rosen einen Kranz die Königin,
Ein Halsen und ein Küssen, das ist ein Hochgewinn.“
Da schämte sich Herr Dietrich, dass er die Rede tat:
Er sprach: „Getreuer Hildebrand, nun gib mir guten Rat,
Wie wir nach vollen Ehren kommen an den Rhein.“
Da sprach der gute Meister: „Ja, Herre, das soll sein.
Erst aber möcht ich hören, was da geschrieben ist,
Wann wir erwartet werden: Ich wüsste gerne die Frist.
Könnt ihr uns das sagen, Herr Schreiber und Kaplan,
So neun ich das Gefolge, mit dem die Fahrt wird getan.“
Er sprach: „Ich will euch lesen was hier geschrieben steht:
Wenn nach zweien Wochen der zweite Mond vergeht,
Sollt ihr am Rosengarten mit euern Helden sein,
Vor Sonnenuntergange, zu Wormes an dem Rhein.“
Da sprach der Meister wieder: „So ist geraum die Zeit,
So mögen wir besenden die hier nicht sind bereit.
Wohlan denn, von den Zwölfen will ich der erste sein;
Der andre sei von Berne der liebe Herre mein.
Wolfhart sei der dritte; auch soll mit in den Ring
Alphart der junge, der stolze Jüngling.
Der fünfte der sei Siegstab, der auch ein Wölfing ist,
Und Eckhart der sechste, unser Gast zu dieser Frist.
Der siebente sei Heime, das ist ein starker Mann,
Und Wittich der achte, der Helme spalten kann.
Der neunte sei von Reußen Hartung der König hehr,
Und Helmschrot der zehnte; nun weiß ich keinen mehr
Als Dietleib von Steier, der ist jetzt leider fern;
Wir wollen ihn beschicken, er tut die Reise gern.“ –
„Nun hätten wir elf Ritter beherzt und tugendlich;
Wo nehmen wir den zwölften?“, so sprach Herr Dieterich.
„Darum sollt ihr nicht sorgen,“ sprach Meister Hildebrand,
Er ist noch heut und morgen wo ich ihn weiland fand.
Wann denkt ihr zu erlösen den Mönch Ilsan?
Den nehm ich aus dem Kloster, wenn ich es fügen kann.“
Da sprach der Held von Berne: „Das machst du nimmer wahr:
Nun war er in der Kutte wohl über zwanzig Jahr.
Soll ich ihn dem entführen, dem er sich hat ergeben?
Ich hätt es immer Sünde, nähm ich ihn aus dem Leben.“
„Wisst ihr nicht, lieber Herre, was der Mönch euch schwur,
Als ihr ihm erlaubtet, dass er ins Kloster fuhr?
Er gelobt‘ euch eine Reise und schwur euch einen Eid,
Wann ihr immer wolltet, so wär er euch bereit.“
Da sprach der Held von Berne: „Lasst uns ihn holen gehn.
Doch muss ich noch in Sorgen um einen Helden stehn.
Der ist geheißen Walther von dem Wasgenstein,
Der kühnsten Recken einer wohl auf und ab am Rhein.“
Er sprach: „Dem ich den Kämpen weiß Gott wohl finden kann:
Das sei Dietleib von Steier, der ist ein starker Mann.
Hilf uns der junge Herzog, lieber Herre mein,
So möchten wir mit Freuden wohl reiten an den Rhein.“