Wie Kriemhild dem Berner Boten schickte
Was man von reichen Königen so viel hoch singt und sagt
Wie sie nach Würde warben vor Zeiten unverzagt!
Um Preis und Ehre streiten schuf ihnen nicht Beschwer,
Sie wussten wohl zu führen den Schild und auch den Speer.
Wie gern um schöne Frauen sie litten Ungemach!
Sie konnten Schilde hauen und lichter Helme Dach
Mit den scharfen Schwertern, die sie führten in der Hand:
Das ließen sie entgelten manchen stolzen Weigand.
Eine Stadt liegt an dem Rheine, die ist so wonnesam
Und ist geheißen Wormes; sie kennt noch mancher Mann.
Darinne saß ein Recke, der hatte stolzen Mut,
Er war geheißen Gibich und war ein König gut.
Von seiner Frauen hatt er drei Söhne hoch geboren,
Das Vierte war ein Mägdlein; durch die so ging verloren
Mancher kühne Degen, wie uns die Märe sagt;
Kriemhild war sie geheißen, die kaiserliche Magd.
Um sie begann zu werben ein stolzer Weigand,
Der war geheißen Siegfried, ein Held aus Niederland.
Der pflag so großer Stärke, dass er die Löwen fing
Und sie mit den Schwänzen über die Mauern hing.
Da ward ihr von dem Berner Wunders viel gesagt:
Auf eine List gedachte die kaiserliche Magd,
Wie sie zusammenbrächte die Degen lobesam,
Damit sie säh, von welchem das Beste würde getan.
Einen Rosengarten hatte die wunderschöne Maid
Von einer Meilen Länge, eine halbe war er breit:
Um den ging statt der Mauer ein Seidenfaden fein.
Sie sprach: „Trotz allen Fürsten, es kommt mir keiner hinein.
Die mir des Gartens hüten, das sind zwölf kühne Degen,
Die pflegen mir der Rosen; die Helden sind verwegen.
Der erste, das ist mein Vater, ein König auserkannt;
Gernot und Gunther, die sind mit Ruhm genannt.
Der vierte heißet Hagen, der zagt in keiner Not,
Der Fünfte heißt Volker, der wundet auf den Tod.
Der sechste heißet Pusolt, der siebente Struthan,
Der achte heißet Ortwein, der neunte Asprian.
Der zehnte heißet Walther von dem Wasgenstein,
Der kühnen Fürsten einer wohl auf und ab am Rhein.
Der elfte heißet Stutfuchs, der kann auch fechten wohl,
Er gibt in harten Stürmen den Recken schweren Zoll.
Der zwölfte heißet Siegfried, ein Held von Niederland,
Der immer stritt nach Ehren mit seiner freien Hand.
Die starken Recken sollen der Rosen Hüter sein:
Trotz biet ich allen Helden, es kommt mir keiner hinein.“
Da entbot sie Dietrichen, dem jungen Vogt von Bern:
Wollt er den Garten schauen und Rosen brechen gern,
So sollt er mit zwölf Helden, die ihren wären gleich,
Gen Worms am Rheine fahren in König Gibichs Reich.
Der schnellen Boten eilten dem Berner in das Land:
Sie wurden wohl empfangen von dem Helden Hildebrand.
Er sagt‘ es seinem Herren, der hieß sie willkomm sein:
„Was lässt uns denn entbieten der stolze König am Rhein?“
Da sprach der Boten einer zu dem Fürsten auserkannt:
„Lasst diese Briefe lesen, die sind euch her gesandt.
Sie sendet euch vom Rheine eine hehre Königin,
Die Tochter König Gibichs: Ihr sollt zum Rheine ziehn.“