Wie er den Riesen Kuperan bestand
Da wies er Siegfrieden an eine Felsenwand,
Wo er dem Berge nahe das Haus des Riesen fand.
Da rief hinein Herr Siegfried wohl in des Riesen Haus
Und bat den Riesen freundlich, dass er käm zu ihm heraus.
Da sprang der Ungeheure wohl vor die Felsenwand
Mit einer Eisenstande, die trug er in der Hand:
„Was hat dich hergetragen, du junges Bübchen klein?
Gar bald in diesem Walde soll es dein Ende sein.
Des hast du meine Treue, dein Leben ist verloren.“
Da sprach der kühne Siegfried: „Gott sei zur Hilf erkoren:
Der soll mir seine Stärke und seine Macht verleihn,
Dass du mir müsstest geben das schöne Mägdelein.
Wir müssen stets deswegen über dich schreien Mord,
Dass du in solchem Elend beschleust die Jungfrau dort
In diesem hohlen Steine, wo die betrübte Maid
Mehr denn vier ganze Jahre gelegen in großem Leid.“
Da ward dem Ungetreuen so grimmig gleich zu Mut,
Dass er die Eisenstange schlug auf den Helden gut.
Von dieser Stange Länge geschah das Wunder da,
Dass man sie mehr denn halbe über den Bäumen sah.
So schlug der Riese Kuperan viel Schläge sonder Zahl,
Die Stange fuhr ein Klafter tief in die Erd zu Tal.
Jetzt schlug er ihm geschwinde einen Schlag so kräftiglich:
Da sprang Siegfried der Degen fünf Klafter hinter sich.
Fünf Klafter sprang herwieder zu ihm der Degen wert.
Der Reise nahm mit Bücken die Stange von der Erd.
Da schlug ihm Siegfried Wunden, dass gleich das Blut entlief:
Auf Erden schlug man nimmer noch Wunden also tief.
Auf Sprang der Ungeheure und lief Siegfrieden an
Mit seiner Eisenstange; er sprach: „Du kleiner Mann:
Dein Leben hast verloren so gar in kurzem Ziel.“
Da sprach der schnelle Siegfried: „Du lügst, wenn Gott nicht will!“
Doch als der Ungereue die Wunde jetzt empfand,
Die Stange ließ er fallen und floh zur Felsenwand.
Da hätt ihn Siegfried leichtlich gebracht in Todespein;
Doch dacht er an die Jungfrau, die musst gefangen sein.
Der Ries verband die Wunden und wappnete sich gleich
In einen guten Panzer, der köstlich war und reich,
Von eitel klarem Golde, getränkt in Drachenblut.
Ohne Kaiser Otnits Panzer kein Panzer ward so gut.
Ein gutes Schwert der Riese an seine Seite band,
Nach seiner Läng und Stärke gemacht und seiner Hand;
Das war so scharf von Schneide, man möcht ein Land drum geben;
Zog er aus zum Streite, so ließ er niemand leben.
Da setzt‘ er sich zu Häupten einen Helm von hartem Stahl.
Der schien, auf Meeresfluten fährt so der Sonne Strahl.
Er nahm ein Schild zur Linken, das wie ein Stalltor war,
Von eines Schuhes Dicke, das glaubet mir fürwahr.
Da sprang der Ungeheuere her aus der Felsenwand;
Eine andre Eisenstange trug er in seiner Hand:
Die schnitt an der vier Kanten wie es kein Messer mag,
Und klang auch also helle, wie die Glock in Turmes Dach.
Da sprach der Ungeheure: „Sag an, du kleiner Mann,
Dass dich der Teufel banne! Was hatt ich dir getan,
Dass du mich wolltest morden in meinem eignen Haus?“
„Du lügst,“ sprach da Siegfried, „rief ich dich nicht heraus?“
Da sprach der starke Riese: „Ei sei du doch verflucht!
Ich will dir wohl vergelten, dass du mich hast besucht.
Und hättest dus vermieden, es wär dir wohl so gut:
Nun musst du lernen hangen um deinen Übermut.“
„Das soll dir Gott verbieten, du Bösewicht tugendleer,
Ich bin des Henkens willen fürwahr nicht kommen her.
Du sollst mir hier gewinnen die Jungfrau von dem Stein,
Sonst magst du mir wohl glauben, dein Leben das wird klein!“
Da sprach der Ungeheure: „Das sei dir hier gesagt,
Dass ich dir nimmer helfe gewinnen diese Magd.
Ich will dich anders halten, du weist nicht meinen Mut,
Dass nie dich soll gelüsten mehr einer Jungfrau gut.
Hiemit dir widersag ich für heut und alle Zeit.“
Herr Siegfried sprach hinwieder: „Ich war heut früh bereit.“
Da liefen sie zusammen: Ein harter Streit begann
Von den zwei kühnen Kämpen dort in dem finstern Tann.
Von dieser beiden Stärke ein solcher Streit geschah,
Dass man das wilde Feuer auf ihren Helmen sah.
Wie gut der Schild gewesen, den dort der Riese trug,
Herr Siegfried gar behende ihm den zu Stücken schlug.
Dem langen Riesen hatt er die Wehr jetzt unterrannt,
Da schlug er ihm vom Leibe sein gutes Stahlgewand.
Da stand mit Blut beronnen der Riese Kuperan
Mit sechzehn tiefen Wunden, die er von Siegfried gewann.
Laut rief in seinen Nöten der Riese Kuperan:
„Nun wolle mich nicht töten, du edler kühner Mann.
Du fichst aus ganzem Leibe mit großer Mannheit,
Du bist mit allen Ehren ein Degen kühn im Streit.
Du stehst hier ganz alleine und bist ein kleiner Mann
Hier gegen mich zu schätzen, der dich nicht zwingen kann.
Du sollst mich leben lassen, dafür so geb ich dir
Mich selbst mit Schwert und Panzer: Das sollst du haben von mir.“
„Das tu ich gern,“ versetzte Siegfried der werte Mann,
„So du mir schaffst vom Steine die Jungfrau wonnesam.“
„Hiemit schwör ich dir Treue; ohne Zweifel sollst du sein:
Ich schaffe dir vom Steine das schöne Mägdelein.“
Da schworen sich zusammen zwei Eid‘ die fremden Gäst:
Siegfried der kühne Degen nur hielt den seinen fest;
Doch ward der Ungetreue an Siegfried siegelos.
Dafür war auch am Ende der bittre Tod sein Los.