Der hörnerne Siegfried: Das vierte Abenteuer

Wie er den Riesen Kuperan bestand

Da wies er Siegfrieden   an eine Felsenwand,
Wo er dem Berge nahe   das Haus des Riesen fand.
Da rief hinein Herr Siegfried   wohl in des Riesen Haus
Und bat den Riesen freundlich,   dass er käm zu ihm heraus.

Da sprang der Ungeheure   wohl vor die Felsenwand
Mit einer Eisenstande,   die trug er in der Hand:
„Was hat dich hergetragen,   du junges Bübchen klein?
Gar bald in diesem Walde   soll es dein Ende sein.

Des hast du meine Treue,   dein Leben ist verloren.“
Da sprach der kühne Siegfried:   „Gott sei zur Hilf erkoren:
Der soll mir seine Stärke   und seine Macht verleihn,
Dass du mir müsstest geben   das schöne Mägdelein.

Wir müssen stets deswegen   über dich schreien Mord,
Dass du in solchem Elend   beschleust die Jungfrau dort
In diesem hohlen Steine,   wo die betrübte Maid
Mehr denn vier ganze Jahre   gelegen in großem Leid.“

Da ward dem Ungetreuen   so grimmig gleich zu Mut,
Dass er die Eisenstange   schlug auf den Helden gut.
Von dieser Stange Länge   geschah das Wunder da,
Dass man sie mehr denn halbe   über den Bäumen sah.

So schlug der Riese Kuperan   viel Schläge sonder Zahl,
Die Stange fuhr ein Klafter   tief in die Erd zu Tal.
Jetzt schlug er ihm geschwinde   einen Schlag so kräftiglich:
Da sprang Siegfried der Degen   fünf Klafter hinter sich.

Fünf Klafter sprang herwieder   zu ihm der Degen wert.
Der Reise nahm mit Bücken   die Stange von der Erd.
Da schlug ihm Siegfried Wunden,   dass gleich das Blut entlief:
Auf Erden schlug man nimmer   noch Wunden also tief.

Auf Sprang der Ungeheure   und lief Siegfrieden an
Mit seiner Eisenstange;   er sprach: „Du kleiner Mann:
Dein Leben hast verloren   so gar in kurzem Ziel.“
Da sprach der schnelle Siegfried:   „Du lügst, wenn Gott nicht will!“

Doch als der Ungereue   die Wunde jetzt empfand,
Die Stange ließ er fallen   und floh zur Felsenwand.
Da hätt ihn Siegfried leichtlich   gebracht in Todespein;
Doch dacht er an die Jungfrau,   die musst gefangen sein.

Der Ries verband die Wunden   und wappnete sich gleich
In einen guten Panzer,   der köstlich war und reich,
Von eitel klarem Golde,   getränkt in Drachenblut.
Ohne Kaiser Otnits Panzer   kein Panzer ward so gut.

Ein gutes Schwert der Riese   an seine Seite band,
Nach seiner Läng und Stärke   gemacht und seiner Hand;
Das war so scharf von Schneide,   man möcht ein Land drum geben;
Zog er aus zum Streite,   so ließ er niemand leben.

Da setzt‘ er sich zu Häupten   einen Helm von hartem Stahl.
Der schien, auf Meeresfluten   fährt so der Sonne Strahl.
Er nahm ein Schild zur Linken,   das wie ein Stalltor war,
Von eines Schuhes Dicke,   das glaubet mir fürwahr.

Da sprang der Ungeheuere   her aus der Felsenwand;
Eine andre Eisenstange   trug er in seiner Hand:
Die schnitt an der vier Kanten   wie es kein Messer mag,
Und klang auch also helle,   wie die Glock in Turmes Dach.

Da sprach der Ungeheure:   „Sag an, du kleiner Mann,
Dass dich der Teufel banne!   Was hatt ich dir getan,
Dass du mich wolltest morden   in meinem eignen Haus?“
„Du lügst,“ sprach da Siegfried,   „rief ich dich nicht heraus?“

Da sprach der starke Riese:   „Ei sei du doch verflucht!
Ich will dir wohl vergelten,   dass du mich hast besucht.
Und hättest dus vermieden,   es wär dir wohl so gut:
Nun musst du lernen hangen   um deinen Übermut.“

„Das soll dir Gott verbieten,   du Bösewicht tugendleer,
Ich bin des Henkens willen   fürwahr nicht kommen her.
Du sollst mir hier gewinnen   die Jungfrau von dem Stein,
Sonst magst du mir wohl glauben,   dein Leben das wird klein!“

Da sprach der Ungeheure:   „Das sei dir hier gesagt,
Dass ich dir nimmer helfe   gewinnen diese Magd.
Ich will dich anders halten,   du weist nicht meinen Mut,
Dass nie dich soll gelüsten   mehr einer Jungfrau gut.

Hiemit dir widersag ich   für heut und alle Zeit.“
Herr Siegfried sprach hinwieder:   „Ich war heut früh bereit.“
Da liefen sie zusammen:   Ein harter Streit begann
Von den zwei kühnen Kämpen   dort in dem finstern Tann.

Von dieser beiden Stärke   ein solcher Streit geschah,
Dass man das wilde Feuer   auf ihren Helmen sah.
Wie gut der Schild gewesen,   den dort der Riese trug,
Herr Siegfried gar behende   ihm den zu Stücken schlug.

Dem langen Riesen hatt er   die Wehr jetzt unterrannt,
Da schlug er ihm vom Leibe   sein gutes Stahlgewand.
Da stand mit Blut beronnen   der Riese Kuperan
Mit sechzehn tiefen Wunden,   die er von Siegfried gewann.

Laut rief in seinen Nöten   der Riese Kuperan:
„Nun wolle mich nicht töten,   du edler kühner Mann.
Du fichst aus ganzem Leibe   mit großer Mannheit,
Du bist mit allen Ehren   ein Degen kühn im Streit.

Du stehst hier ganz alleine   und bist ein kleiner Mann
Hier gegen mich zu schätzen,   der dich nicht zwingen kann.
Du sollst mich leben lassen,   dafür so geb ich dir
Mich selbst mit Schwert und Panzer:   Das sollst du haben von mir.“

„Das tu ich gern,“ versetzte   Siegfried der werte Mann,
„So du mir schaffst vom Steine   die Jungfrau wonnesam.“
„Hiemit schwör ich dir Treue;   ohne Zweifel sollst du sein:
Ich schaffe dir vom Steine   das schöne Mägdelein.“

Da schworen sich zusammen   zwei Eid‘ die fremden Gäst:
Siegfried der kühne Degen   nur hielt den seinen fest;
Doch ward der Ungetreue   an Siegfried siegelos.
Dafür war auch am Ende   der bittre Tod sein Los.

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