Wie Siegfried das Zwerglein Eugel fand
Der König sandte Boten umher in allem Land
Nach seiner schönen Tochter, wem was von ihr bekannt.
Das war das größte Leiden wohl in der weiten Welt,
Bis dass sie von dem Steine erlöst ein kühner Held.
Nun war zu diesen Zeiten ein stolzer Jüngling,
Der Siegfried war geheißen, eines reichen Königs Kind.
Der trug so große Stärke, dass er die Löwen fing
Und sie dann zum Gespötte hoch an die Bäume hing.
Da nun derselbe Siegfried erwuchs zu einem Mann,
Eines Morgens wollt er jagen und reiten in den Tann
Mit Habicht und mit Hunden, der stolze Degen zier;
Den starken Tieren hatt er den Wald verleidet schier.
Der Bracken Siegfrieds einer lief vor ihm in den Tann:
Dem säumt‘ er nicht zu folgen, der wunderkühne Mann,
Auf eine Spur gar seltsam, da der Drache war gefahren
Mit der edeln Jungfrau; der Bracke mocht es gewahren.
Dem Bracken folgte Siegfried bis an den vierten Tag,
Dass er Essens und Trinkens noch auch der Ruhe pflag.
Er kam am vierten Morgen an das Gebirge hoch;
Des Wunders unverdrossen folgt er dem Bracken noch.
Da war er tief verirret in diesem finstern Tann:
Der Steige wie der Straßen ermangelte der Mann.
Er sprach: „O Gott vom Himmel, wohin hab ich mich gewagt!“
Er wusste nicht, er käme zum Trost der schönen Magd.
Nun hatte Siegfried kühnlich gefochten seine Zeit,
Fünftausend Zwerge dienten dem Degen allbereit:
Sie gaben dem werten Helden gar williglich ihr Gold;
Einen Wurm hatt er erschlagen, drum waren sie ihm hold.
Da kam der liebe Siegfried vor den Drachenstein zu stehn;
Er hatt in seinem Leben des Gleichnis nicht gesehn.
Gar müde war geworden das Ross und auch der Mann;
Da sprang vor diesem Steine vom Pferd der kühne Mann.
Als Siegfried der Degen den Drachen sah von fern,
Wie da der Held gesprochen mögt ihr vernehmen gern:
„O reicher Gott vom Himmel, was hat mich her getragen?
Der Teufel hat mich betrogen; wer soll von Wunder sagen?“
Wie bald es um Siegfrieden zu finstern da begann!
Der Degen seine Bracken all auf die Arme nahm:
„Es wolle Gott vom Himmel,“ so sprach der Degen hehr,
„Aus diesem finstern Walde komm ich sonst nimmermehr.“
Er ging zu seinem Rosse und wollte jetzt hindann,
Da sah er gen ihm jagen her durch den finstern Tann
Ein Zwerglein, das hieß Eugel; ganz kohlschwarz war sein Pferd
Und sein Gewand von Seide, mit Golde schön und wert.
Er trug an seinem Leibe von Zobel Borten gut
Und herrliches Geschmeide, des war er wohlgemut.
Wie reich auch wär ein König, es möcht ihm wohl behagen;
Er hätt es auch mit Ehren vor allem Volk getragen.
Er trug auf seinem Haupte eine Krone reicher Art,
Dass keine je auf Erden ihr gleich gesehen ward.
Es lag ihm in der Krone so mancher edle Stein,
Dass nie auf Erden schöner mocht eine Krone sein.
Da sprach das Zwerglein Eugel, als es den Helden sah,
Nun mögt ihr hören gerne was es gesprochen da.
Es empfing ihn höfisch, den auserwählten Mann.
Er sprach: „Nun saget, Herre, was bringt euch in den Tann?“
„Nun dank dir Gott,“ sprach Siegfried, „du wunderkleiner Mann,
Wenn deiner Treu und Tugend ich hier genießen kann.
Nun sprich, da du mich kennest, wie hieß der Vater mein?
Bitt dich, dass du ihn nennest und die Mutter obenein.“
Nun war der Degen Siegfried gewesen allezeit,
Dass er um Vater und Mutter nicht wusste haaresbreit.
Er ward wohl früh versendet in einen finstern Tann,
Darin zog ihn ein Meister, bis er gedieh zum Mann.
Da gewann er auch die Stärke wie vierundzwanzig Mann.
Da sprach zu ihm das Zwerglein: „So sei dir kund getan,
Deine Mutter hieß Sieglinde, eine Köngin auserkoren;
Dein Vater König Siegmund: Denen wurdest du geboren.
Du sollst von hinnen kehren, Siegfried, du werter Mann,
Und tust du’s nicht bei Zeiten, es ist um dich getan.
Ein grimmer Drache wohnet auf diesem Stein hie vorn,
Und wird er dein hier innen, dein Leben hast du verlorn.
Auch wohnt auf diesem Steine die allerschönste Magd,
Das sollst du sicher wissen; dabei sei dir gesagt:
Sie ist von Christenleuten, eines Königs Tochter hehr;
Will Gott sich nicht erbarmen, so erlöst sie niemand mehr.
Ihr Vater der heißt Gibich und sitzet an dem Rhein;
Die Königin heißt Kriemhild und ist die Tochter sein.“
Da sprach Siegfried der Degen: „Die ist mir wohlbekannt,
Wir waren hold einander in ihres Vaters Land.“
Als Siegfried der Kühne die Märe recht vernahm,
Sein Schwert stieß in die Erde der Ritter lobesam:
Darauf schwur er drei Eide, der Degen allbereit,
Er käme nicht von dannen, bis er die Magd befreit.
Da sprach das Zwerglein Eugel: „Siegfried, du kühner Mann,
Willst du dich solcher Dinge umsonst hier nehmen an,
Und schwurest des drei Eide, die Jungfrau zu befrein,
So gib mir Urlaub balde, ich mag nicht bei dir sein.
Ja hättest du bezwungen das halbe Teil der Welt,
Dass zwoundsiebzig Zungen dir dienten, kühner Held,
Die Christen und die Heiden, die alle dienten dir,
Du ließest doch die Jungfrau wohl auf dem Steine hier.“
Da sprach Siegfried behende: „Nicht doch, du kleiner Mann,
Wenn deiner Treu und Tugend ich hier genießen kann,
So hilf mir sie gewinnen, das schöne Mägdelein,
Sonst schlag ich mit dem Haupte dir ab die Krone dein.“
„Verlör ich dann mein Leben um diese schöne Maid,
So entgält ich meiner Treue: Ich sags bei meinem Eid:
Will Gott sich nicht erbarmen, dem alles offenbar,
Sonst kann ihr niemand helfen, das sag ich euch fürwahr.“
Da ward der kühne Siegfried gar grimm in seinem Mut:
Er nahm den Zwerg beim Haare, der stolze Degen gut,
Und schlug mit ganzen Kräften ihn an die Felsenwand,
Dass ihm die reiche Krone zerstückt fiel in den Sand.
Er sprach: „Nun lass dein Zürnen, du tugendhafter Mann,
Ich will dir, edler Siegfried, gern raten was ich kann.
Ich will mit ganzen Treuen dich weisen an das Tor.“
„So walt es doch der Teufel!“ Was tatst du’s nicht zuvor?“
Er sprach: „Hier ist gesessen ein Ries, heißt Kuperan,
Dem ist das Land und Riesen wohl tausend untertan.
Derselbe hat den Schlüssel, der uns erschließt den Stein.“
„Den zeige mir,“ sprach Siegfried, „so wird die Jungfrau mein.
Wenn du mich zu ihm weisest, nehm ich dir nicht den Leib.“
Da sprach das edle Zwerglein: „Musst fechten um das Weib
So sehr in kurzen Zeiten wie nie zuvor ein Mann.“
„Ich freue mich,“ sprach Siegfried, „wenn ich nur fechten kann.“