Wie Alphart verraten ward
Also sprach da Alphart: „Mir stünd es übel an,
Schlüg ich als ein Zager den wehrlosen Mann.
Es würde mir verwiesen.“ Als das Heime sah,
Aus dem Schatten eilt‘ er zu Hilfe Wittichen da.
Da lag vor ihm und schirmte sich Wittich auf dem Plan
Mit dem grünen Schilde, vor dem kühnen Mann.
Er hat ihn auf die Erde gestürzt, ins grüne Gras.
Mit Schweiß und Blut war Wittich sehr beronnen und nass.
„Nun entblößet euch des Helmes,“ sprach ihn Wittich an.
„Nein,“ sprach da Alphart, „das wird nicht getan.“
Er dacht in seinem Mute: „Wenn sie mich ersehn,
So fliehen sie mich beide, ich muss allein hier bestehn.
„Nun sage mir, Heime, wie scheidest du den Streit?“
„Ihr sollt gen Berne reiten von dieser Heide breit;
So reiten wir zum Kaiser und wollen Ermrich sagen,
Ihr wärt uns entwichen, wir hätten nicht mit euch geschlagen.“
„Das verhüte Gott vom Himmel,“ sprach da Alphart,
„Das hieße schmählich räumen meines Herren Wart.
Du musst mir Wittichen lassen hier zu Pfand,
Oder mich bezwinge deine tugendhafte Hand.“
„Hörst dus, Geselle Heime?“, sprach Wittich der Degen.
„Uns kann hier niemand scheiden als allein mein Leben.
Ich mahne dich der Eide, Degen wohlgeboren,
Und deiner steten Treue, die du mir, Held, hast geschworen,
Die du mir verhießest bis an deinen Tod,
Und dass du mich nicht ließest in aller Fahr und Not.
Daran sollst du gedenken, du auserwählter Degen,
Wie ich dir kam zu Hilfe und fristete dir das Leben.
Das tat ich zu Mantaren, da half ich dir aus Not.
Da müsstet ihr in Wahrheit den schwertgrimmen Tod,
Du und der von Berne, beide gestorben sein,
Wenn ich euch nicht von Ferne zu Hilfe kam in der Pein.“
„Das ist wahr,“ sprach Heime; „doch stünd uns übel an,
Schlügen wir nun beide den kindischen Mann.
Wenn wir ihn bezwängen, und würd er hier erschlagen,
Von unsrer Untren müsste man immer singen und sagen;
Aller Untreu Spiegel müssten wir immer sein,
Vor keinem Biedermanne könnten wir gedeihn.
Die Männer und die Frauen schälten uns mit Recht:
Wie hätten wir zwei Degen dann unsre Ehre geschwächt!“
„Du sagst von Untreue: Soll ich den Tod erschaun,
Mir wäre lieber, schälten mich alle werten Fraun.“
Also sprach Herr Wittich: „Werd ich, Heim, erschlagen,
„So stehst du wehrlos vor ihm, er schlägt dich ohne seinen Schaden.“
Heime sprang vom Rosse nieder auf das Land:
„Werter Ritter edel, ergib dich meiner Hand.
Ich will dir, Degen, sagen, wie meine Sitte ist:
Zieh ich das Schwert, so geb ich keinem Manne vor mir Frist.
Den ich mit Streit bestehen, mit dem Schwert ergreifen kann,
Lebendig mir entgehen nie lass ich einen Mann.“
Also sprach Herr Heime: „Du sollst dich mir ergeben:
Willst du das nicht leisten, so entgilt es, Held, dein Leben,“
„So wollen wirs versuchen,“ sprach da Alphart,
„Will es Gott geruhen hier auf dieser Wart,
So mögt ihr mich nicht scheiden von ritterlicher Wehr;
Ich sags euch Recken beiden, mich erschreckt nicht ein Heer.“
Des erschrak da Heime, Adelgers Sohn, fürwahr:
„Säh ich an deinem Schilde den Leuen mit dem Aar,
Oder Dietrichs Wappen, ich griffe dich nicht an.“
Darüber schalt ihn Wittich: „Das hast du mehr mir getan.
Da brachest stets die Treue, so tust du auch nun.
Wo ich mit Feinden hatte in hartem Sturm zu tun,
Da pflagst du stets der Sühne, so tust du nun auch hier.
Heim, werd ich erschlagen, ewge Schande bringt es dir.“ –
„Nun mag uns wohl misslingen, Wittich, Wielands Sohn:
Er ist ein Wölfinge, er wägt uns übeln Lohn.
Das sollst du wissen, Wittich, es ist mir wahrlich leid,
Dass ich dir zu helfen auf die Warte ritt zum Streit.“
Also sprach da Heime: „Nun sagt mir wer ihr seid,
Des dürft ihr euch nicht schämen, Ritter kühn im Streit,
Da ich euch an Wappen und Schild nicht kennen kann;
Seid ihr Herr Dietrich selber, oder wer aus seinem Bann?“
Alphart der junge hub da zu rufen an:
„Wittich und Heime, ihr Recken lobesam,
Ihr habt in mancher Heerfahrt des Besten viel getan:
Des soll ich nicht genießen hier auf diesem grünen Plan.
Besteh mich jeder einzeln; mein Tod sei euch vergeben.
Es ist wohl nicht ein Wunder, nehmt ihr mir das Leben.
Gedenkt an Ritters Ehre, ihr stolzen Helden gut,
Ich will euch nicht entweichen; nur habet Biedermanns Mut.
Ich will nach Ehren wagen meinen jungen Leib:
Darum wird mich beklagen jedes werte Weib
Der großen Untreu willen, die ihr wollt an mir begehn.
Euch und keinem frommen Recken mag es löblich stehn.
Würd ich von euer einem ehrlich erschlagen,
Meine reichen Freunde dürften mich nicht klagen.“
„Hörst du’s, Geselle Wittich,“ sprach Heim gar unverzagt,
„Schon wollt ich dich drum bitten, er hat die Wahrheit gesagt.“
Er sprach: „Wittich und Heime, ihr Degen tugendlich,
Schlagt ihr mich selbander, ihr beschimpft euch ewiglich.
Wo sie es von euch sagen wohl auf der Erde weit,
Da schilt man euch, es wird euch vor allen frommen Recken leid.
Wollt ihr mich ermorden als einen armen Knecht,
Wittich und Heime, so brecht ihr Gottes Recht.
Es hat sich nie gegeben, dass einen schlügen zwei:
Soll es mit mir anheben, ihr werdet nie der Schande frei.“
Da sprach der starke Heime, der Degen unverzagt:
„Hörst du’s, Geselle Wittich, er hat uns wahr gesagt.
Du sollst von mir entweichen, ich greif allein ihn an.“
„O weh,“ sprach da Wittich, „du erkennst nicht recht den Mann.
Wenn unser Zwölfe wären, mit Streit ihn zu bestehn,
Mit Schlägen, stark und schweren, es müsst uns schlimm ergehn.
Seine Kraft und Kühnheit wurden mir wohl kund:
Von dem Gebirge nieder stapft‘ er zu mir in den Grund;
Da fragt ich ihn um Märe, ob er mir wolle sagen,
Ob er der Recke wäre, der die Helden hätt erschlagen?
Da sprach er unerschrocken: Ja, ich bin der Mann.
Größre Sorg ich nimmer von einem einzelnen gewann.“
Wieder sprach da Wittich, Wielands Sohn:
„Wenn wir ihn sparen, Heime, das bringt uns übeln Lohn.
Wir büßen es, Geselle, mit unser beider Leben.
Du willst mir stets entweichen; es ist ein auserwählter Degen.“
Anliefen wieder beide den kindischen Mann
Auf der grünen Heide; der rief sie wieder an:
„Besteht mich nacheinander, ihr Ritter hochgemut.“
Da gelobte das ihm Wittich, er hatte zornigen Mut.
„Du sprichst, man soll dich einzeln bestehn, des bist du wert.
Es tu denn Gott ein Wunder, so wirst du Streits gewährt.
Heime, lass mich ruhen, laufe du ihn an.“
Alphart der junge das Schwert zu beiden Händen nahm,
Damit er Heim dem starken eine tiefe Wunde schwang;
Das Blut sprang durch die Ringe wohl eine Elle lang.
Der Degen musste nieder straucheln auf das Land.
„Weh,“ sprach da Wittich, „du hast den Tod an der Hand.
Du wolltest mir nicht glauben, und ihn allein bestehn:
Soll ich dir nun helfen, Degen ausersehn,
So will ich wider sagen, der Fried ist aufgegeben.“
„Nein,“ sprach Heime, „ehrlich lass mich verlieren das Leben.“
Des erschrak da Wittich; er trat ihm auf den Sporn;
Wittich schlug von hinten, Heim bestund ihn voran.
Alphart der junge nahm Heimes eben wahr,
Da schlug ihm Wittich eine fährliche Wunde dar.
Als Wittich an dem Helden meineidig wollte sein,
IN einem steten Frieden schlug er ihm durch ein Bein
Eine tiefe Wunde, dass er kaum mochte gehn;
Man sah sie beide fliehen, da der Mord war geschehn.
Alphart der junge rief mit lautem Schrei:
„Pfui, ihr bösen Zagen, ihr ehrlosen zwei,
Wittich und Heime,“ rief er ihnen nach,
Wollt ihr auf einem Beine mich fliehn, das bringt euch ewig Schmach.“
Alphart der junge zu springen nun begann:
In eines Leuen Mute lief er Heimen an,
Zwo tiefe Brustwunden er noch dem Helden schlug
Mit dem guten Schwerte, das in den Händen er trug.
Da rief der starke Heime Wittichen wieder an:
„Nun hilf mir aus den Nöten, bist du ein frommer Mann.
Willst du das nicht leisten, so gilt es, Held, mein Leben.“
Da sprach der schnelle Wittich: „Ich will dir meine Hilfe geben.“
Anliefen sie ihn beide, wie sie zuvor getan;
Da hub sich an zu röten der Klee im grünen Plan.
Wie gut auch das Geschmeide war, das Wittich trug,
Eine tiefe Wunde der junge Weigand ihm schlug.
So litten alle dreie das bittre Ungemach:
Durch die lichten Ringe floss des Bluts ein Bach.
Noch konnte Hilfe haben der Degen unverzagt,
Hätt er die rechte Märe selber dort zu Bern gesagt.
Er warf den Schild zu Rücken, den seine Linke trug.
Wie rasch sie Alphart beide vor sich niederschlug!
Welchen er mocht erlangen, der musst ihm auf den Plan
Von dem Schlage fallen, so stark war der junge Mann.
Da sie jetzt zusammen sprangen, noch härtrer Streit war das;
Dass Schild und Helm erklangen, solche Schläge Alphart maß.
Mit seinem guten Schwerte schlug er manch schädlich Mal
Durch ihrer Schilde Härte; auch ihm ward schartig der Stahl.
Sie stunden gen einander wie Feind vor Feinden tut:
Sie brachten in die Nöte den Ritter hochgemut.
Da begonnte laut zu rufen der kindische Degen:
„Besteht mich nacheinander; mein junger Tod sei euch vergeben.
Geruht nach Ritters Ehre mich einzeln zu bestehn,
Wittich und Heime, ihr Degen ausersehn;
Ward einer mild, so springe der andre in den Streit:
Des habt ihr immer Ehre; ich vergeb euch meine letzte Zeit.“
Da sprach der starke Wittich: „Es wird dir nicht so gut:
Bestünd ein Heer dich einzeln, vergießen müsst es Blut.“
Anliefen sie im Zorne den kindischen Mann;
Von Heim dem Mordrecken er großen Schaden gewann.
So lang in seinem Helme noch die Leiste lag,
Und des Schwertes Schärfe hindurch nicht schlug den Schlag,
Da focht ohne Sorge Alphart der junge Held.
Da lösten sich die Nägel und fielen von der Kron aufs Feld.
Alphart der junge gab Wittich einen Schlag,
Dass er ihm vor den Füßen auf grüner Heide lag.
Heim das Schwert entblößte mit kraftvoller Hand,
Und schlug ihm durch das Helmband, dass es auf der Leiste stand.
Durch Helm und durch Haube schlug er den Ritter gut
Und durch das Helmes Spangen, dass das rote Blut
Herab begann zu fließen auf den jungen Mann.
Es mocht ihn wohl verdrießen, als es ihm vor die Augen rann.
Wie jämmerlich er blickte durch des Blutes Bach!
Dem edeln jungen Recken nahte sein Ungemach.
Anliefen sie ihn beide mit kraftvoller Hand:
Sie fällten ihn darnieder mit den Wunden auf das Land.
Sie hatten ihn ermüdet, dass er wehrlos lag
Und auf der grünen Heide des Streits nicht länger pflag.
Nun weiß ich nicht das Wittich rächt an dem jungen Mann,
Dass er ihm durch die Schlitzen ein Schwert zu stechen begann.
Er wandt es ihm im Leibe und schnitt ihm ab das Leben.
Noch einmal konnte rufen der kindische Degen:
„Pfui, ihr bösen Zagen, ihr ehrlosen zwei!“
Da war es mit dem Leben des edeln Alphart vorbei.
Sie konnten ihn zu Berne nie genug beklagen.
Wär er in rechtem Streite ritterlich erschlagen,
So verschmerzten sie ihn gerne; das wär der Helden Trost.
Dietrich von Berne war Heimen grimmig erbost.