Wie Wittich auf der Warte Alpharten bestand
„O weh dem Herzeleide!“, sprach Kaiser Ermenrich.
„Hab ich niemand auf der Heide, der rächen wolle mich?
Soll ich euer nicht genießen, ihr auserwählten Degen?“
Man sah den reichen Kaiser in einem trauriglichen Leben.
Ich klag euch all imgleichen mein großes Ungemach.“
Die Armen zu den Reichen, keiner ein Wörtchen sprach,
Sie schwiegen alle stille, wollt keiner auf die Wart.
Noch immer bei der Linde hielt der junge Alphart.
Zu denselben Zeiten galt immer dieses Recht:
Wer die Warte suchte, wars Ritter oder Knecht,
Der pflag der Wart mit Ehren bis der Tag ein Ende nahm.
Also tat auch Alphart als ein Degen lobesam.
„Nun schweigen alle stille, die sonst mir gaben Rat,
Sie achten nicht des Kummers, wie viel mein Herz auch hat.
Deiner Treue lass dich mahnen, Wittich, kühner Held,
So will ich mit dir teilen Land und Leute, Gut und Geld.“
Da sprach der kühne Wittich, er war ein werter Degen:
„Ihr ließt mir eurer Gaben oft die Fülle wägen,
Des sollt ihr nun genießen, edler Kaiser hehr.“
Da ließ er bald sich bringen Ross und Harnisch, Schild und Speer.
Zu dem Rosse ging in Wappen der Degen lobesam,
Da saß er auf, den Schildrand der Held zu Arme nahm,
Den Speer in seine Rechte, der Degen unverzagt:
Wie ritterlich Herr Wittich da zu Alphart kam gejagt!
Er kam auf das Gefilde von dem Heer hindann:
Da hub sehr an zu grausen den auserwählten Mann.
Es drückten ihn die Ringe, dem Helden ward so heiß,
Dass ihm auf der Heide durch die Ringe drang der Schweiß.
Er sprach: „Gott vom Himmel, wie ist dem Herzen mein,
Oder wer mag auf die Warte wohl heut gekommen sein?
Die Reise sollt ich lassen,“ dachte der werte Mann.
Das Ross warf er zurücke und sah das Heer wieder an.
Er dacht in seinem Herzen hinwieder als ein Held:
„Du musst nun leiden Schmerzen: Es schickte dich ins Feld.
Aus achtzigtausend Mannen der Kaiser lobesam:
Hier wird Ehre nun begangen, wärs um mein Leben getan!“
Über das Gefilde war Wittichen jach.
Da kam auch Heim zu Rosse und ritt dem Freunde nach.
Er dachte sich zu rächen an dem kindischen Mann.
Heime hielt im Schatten bis Wittich Umsieg gewann.
Da kam der kühne Wittich geritten an den Ort;
Viel der Toten liegen sah er allwärts dort.
Als Alphart der junge von fern ihn kommen sah,
„Da kommt des Kaisers Diener: Fürwahr, mir lieber nie geschah.“
Den Helm zu Haupte band er in derselben Stund,
Er stapft‘ ihm schön entgegen in einen tiefen Grund.
Herr Wittich frug um Märe, ob er ihm wolle sagen,
Ob er der Ritter wäre, der die Helden hätt erschlagen?
„Der bin ich,“ sprach da Alphart; „sagt mir, Degen hehr,
Wie dürft ihr gegen Recken noch leiten euern Speer?
Es ist euch zu verweisen, ihr seid ein falscher Mann:
Nicht wüsst ich was zu Leide mein Herr euch hätte getan.
Ihr schwuret ihm vor Jahren, Degen, euern Eid,
Den habt ihr jetzt gebrochen: Das ist allen Recken leid.
Euch hat doch der von Berne und die in seinem Bann
Bisher zu allen Zeiten viel guter Dienste getan.
Dir war der Vogt von Berne stets in Treuen hold,
Er gab dir herzlich gerne sein Silber und sein Gold,
Er ließ dich sein gewaltig über Leut und Land,
Die Wölflinge dienten dir stets mit williger Hand.
Die Red ist ungelogen,“ sprach Alphart der Held,
„Gern oder ungern, du folgst mir aus dem Feld,“
Zu Wittich sprachs vermessen Alphart der junge Degen,
„Oder musst zu Geisel mir dein Haupt noch heute geben.
Hast du wohl erwogen, wie ziemt eim Recken das,
Wenn man ihn hießt meineidig: Er gewinnt der Leute Hass,
Dass ihn alle schmähen, der da bricht den Eid:
Glaub mir auf meine Treue, es wird der Seele dort noch leid.
Du bist an deiner Ehre vor allen Recken tot,
Und musst auch vor den Frauen vor Scham oft werden rot.“
Also sprach vermessen Alphart der junge Mann,
„Für einen werten Recken sieht dich niemand mehr an.“
Da sprach der kühne Wittich: „Fürwahr, das wär mir leid
Und müsste mich gereuen, spräch so von mir der Neid.
Von meinen ersten Zeiten, von meiner Kindheit Tagen
Hab ich in Sturm und Streiten den Preis noch ritterlich getragen.
Ihr seid alleine dorten, ich bin alleine hie;
Mit also scharfen Worten ward ich gestraft noch nie
Bei allen meinen Tagen, so lang ich denken kann:
Sollt ich euch das vertragen, ich hieße wahrlich kein Mann.“
Also sprach Herr Wittich, der Degen ausersehn:
„Wie lang auf dieser Heide soll ich dir Beichte stehn?
Einer muss entgelten nun des andern Streit:
Saget, kühner Recke, werter Ritter, wer ihr seid.“
„Was hast du nun zu fragen nach dem Namen mein?
Du solltest lieber fragen nach dem Herren dein,
Für den ich Leib und Leben will wagen als ein Degen;
Will es Gott geruhen, so werd ich heut der Warte pflegen.
Wärst du bei guten Sinnen, du liest dein Fragen sein,“
Sprach Alphart der junge, „nach dem Namen mein.
Wenn meine Hand mit Kräften dich auf die Erde fällt,
So wirst du mich erkennen,“ sprach Alphart der junge Held.
Noch sprach aus freiem Mute Alphart der junge Mann:
„Wem Gott des Heiles gönnet, der lebt so lang er kann.
Uns beide scheidet niemand als des einen jüngster Tag,
Es tus denn Gott vom Himmel, der alle Dinge schlichten mag.“
„Wer wider Recht will sprechen, der hat nicht rechten Sinn,
Man sprach von mir das Beste wohin ich kommen bin.
Das Lob will ich behalten,“ sprach Wittich der Held,
„Da mich der reiche Kaiser aus achtzigtausend hat erwählt.
Der kühnste und der beste soll ich unter ihnen sein:
Desto lieber will ich wagen heut das Leben mein.
Es gilt des Kaisers Ehre: Da er mir selbst gebot,
So setz ich auf die Waage mich gern für ihn in den Tod.“
Die Frage nahm ein Ende, der Fried ist aufgegeben,
Zusammen tiostierten die beiden kühnen Degen.
Es war die größte Ehre, die Herrn Wittich da geschah,
Dass er sein Schwert in Stücke auf Alpharts Brust zerbrechen sah.
Da ward von ihnen beiden kräftiglich gestritten,
Sie stachen auf der Heiden mit ritterlichen Sitten.
Alphart der junge mit tugendhafter Hand
Stach den kühnen Wittich aus dem Sattel auf das Land,
Dass der edle Degen fern hinterm Rosse lag.
Er sprach: „O weh der Schande! Was erlebt ich diesen Tag!
Nun müss es Gott erbarmen, dass ich je ward geboren,
Soll ich so geschwinde mein Leben haben verloren.“
Da sprach Alphart der junge: „Es ist ein Anfang;
Kann ich es aber fügen, so wird dein Leben krank.
Du musst den Sold verdienen, den dir dein Herr gegeben;
Von meiner Hand alleine geht es dir, Ritter, ans Leben.
„Du sprichst, von achtzigtausend wählte der Kaiser dich:
Desto lieber will ich streiten,“ sprach Alphart, „wider dich.
Wir teilen auf der Heide deinen Sold von Gold so rot:
Gott richte zwischen beiden, und wer dann fällt, der ist tot.“
Auf richtete vom Falle sich Wittich aus dem Gras,
Von hinnen lief sein Schimming, dass er die Kräuter aß:
Er achtete des Falles nicht, den sein Herr getan.
Als sich aufgerichtet Herr Wittich hatt auf dem Plan,
Da sprang zur andern Seite Alphart von seinem Ross
Zu einem neuen Streite; seine Tugend die war groß.
Da sprach der Held vermessen zu dem kühnen Degen:
„Lass uns die Schwerter messen, so du länger denkst zu leben.“
Sie zuckten von den Seiten zwei scharfe Waffen lang,
Sie schlugen aufeinander, dass es laut erklang.
Sie trieben sich im Kreise wohl auf der Heide breit;
Zwischen den zweien Helden hub sich ein ungefüger Streit.
Alphart war ein junger Ritter kühn und mild,
Er wusste wohl zu leiten sein Schwert und seinen Schild
Nach allem Preis: Das musst ihm Herr Wittich zugestehn;
Er wär ihm gern entwichen, möcht es mit Ehren geschehn.
Er sprach: „Gott vom Himmel, wie ist mir geschehn?
Welchen übeln Teufel soll ich hier bestehn?
Wie mir auch gelinge, so bleibt der Sieg mir fern:
Wollte Gott ich wäre geblieben dort bei meinem Herrn.
„Doch will ichs noch versuchen.“ Nun erst geschah ihm weh,
Sich begonnten rot zu färben Gras und grüner Klee.
Als das wilde Feuer sprang aus Helm und Haupt
(Zagheit war da teuer). des Sinns ward Wittich beraubt.
Da schlug ihm der Gewaltge auf des Helmes Wand,
Das Haupt er ihm erschallte, dass all sein Hirn erklang,
Der Degen musste straucheln nieder auf den Plan.
Wittich wollte fallen vor Alphart dem jungen Mann.
Er sprang aus dem Gefilde wieder auf den Plan,
Und schirmte mit dem Schilde sich vor dem kühnen Mann.
Er dacht in seinem Mute: „Wie soll ich von ihm kommen?“
Alphart der junge hatt ihm die Sinne gar benommen.
„Wie lang soll ich dein schonen? Du musst dich mir ergeben;
Kann ich es aber fügen, es geht dir an das Leben
Ob der großen Unbill,“ sprach er in zorngem Mut,
„Die ihr unverschuldet dem edeln Vogt von Berne tut.“
Alphart der Degen gab Wittich einen Schlag,
Dass der Held verwegen auf grüner Heide lag
Ganz in der Gebärde, als ob er wäre tot.
Aus Nasen und aus Ohren sah man ihm fließen das Blut.
Über ihm stand Alphart und sah den Degen an:
„So haben meine Freunde bisher noch all getan,
Dass man sie weit hört preisen in der Christenheit:
Sollt ich das nicht beweisen, das wär mir heut und immer leid.“