Wie der Kampf zu Ende kam und die Helden Sühne tranken
Schier fühlt‘ er von der Sorge sein starkes Herz berührt.
Er sprach: „Wenn andre Wege nicht bald das Glück uns führt,
So täuschen ihre Listen zuletzt mich müden Mann.“
Mit lauter Stimme sprach er alsbald zu Gunthers Untertan:
„O Hagedorn, du grünest, damit du stechen mögst.
Wie gern mit schlauen Sprüngen du Falscher mich betrögst!
Doch will ichs schon betreiben, dass du mir näher kommst.
Mit deinen Kräften weiß ich wie große Dinge du frommst;
Doch bin ichs müd, vergebens in solcher Not zu stehn.“
Er sprach es und entsandte den Speer wie Sturmeswehn.
Der fuhr durch Hagens Schildrand und durch sein Eisenkleid;
Doch tat er ihm am Leide kein übermäßiges Leid:
Zu gut Geschmeide trug er am Harnisch und am Rand.
Allein dem Speer im Fluge kam Walther nachgerannt
Mit rasch entblößter Klinge, die er auf Gunther schwang.
Der Hieb war ungeheuer, der da dem Helden gelang.
Der Schild war weg geschlagen und durch die Hüfte glitt
Der Stahl und nahm dem König den ganzen Schenkel mit,
Dass er zu Boden stürzte und lag auf seinem Schild
Dem Schrecklichen zu Füßen, der es zu nutzen gewillt.
Der Dienstmann sah erbleichend dem Herrn das Ende drohn.
Die blut’ge Klinge wieder erhob schon Alpkers Sohn
Den Liegenden zu töten, der unbehütet war;
Doch Hagen lief nicht achtend der eignen Lebensgefahr
Herbei, dem Streich zu wehren mit seinem eignen Haupt.
Jetzt war noch einzuhalten Walthern nicht mehr erlaubt:
Die Klinge fuhr hernieder auf Hagens Eisenhut.
Da sprühten helle Funken, doch war der Helm allzu gut
Geschmiedet und gehärtet, er brach nicht von dem Schlag:
Gebrochen war die Klinge, die halb am Boden lag,
Halb in der Luft noch blinkte. Unwillig sah der Held
An Hagens starker Helmzier die gute Klinge zerspellt.
Er vergaß im Zorn der Vorsicht den einen Augenblick
Und musst es teuer büßen: So wollt es das Geschick.
Da er die Klinge misste, verschmäht‘ er auch das Heft;
Es aus der Hand zu werfen, das war ihr letztes Geschäft.
Das künstliche Getriebe, hinflogs zu Boden weit.
Das sah der grimme Hagen und nutzte wohl die Zeit:
Er schlug im Wurf ihm jubelnd herab die rechte Hand,
So weit durch Siegestaten der Erde Völkern bekannt.
Da lag der Könge Schrecken, des Helden starke Faust.
Herr Walther sahs betroffen, doch ohne dass ihm graust.
Er konnt auch link nicht weichen; dazu sein Geist blieb hell:
Da schob er in den Schildrand den Stumpf, den blutenden, schnell
Und zuckte mit der Linken das kurze Heunenschwert,
Das ihm die rechte Hüfte, wie ihr vernahmt, bewehrt.
Grausame Rache nahm er an seinem Feind damit,
Das ihm die Lippe spaltend die rechte Schläfe durchschnitt,
Sechs Backenzähne ausriss, dazu das Aug entstieß.
Da trug die Wund ein jeder, die ihn wohl ruhen hieß.
Sie streckten hin die Waffen, des grimmen Kampfes satt
Mit heilen Gliedern keiner verließ die blutige Statt,
Wo zwei gewaltge Helden, an Mut und Kräften reich,
Sich maßen, zwein Gewittern, die sich begegnen, gleich;
Ein drittes stand nicht ferne, das war kaum halb so schwer.
Sie kämpften gerne länger; sie konnten aber nicht mehr.
Da schlossen sie den Frieden und jeder gab sein Pfand
Hier lag des Königs Schenkel, hier Walthers rechte Hand,
Dort Hagens zitternd Auge: Nun redet unverweilt,
Hatten sie nicht brüderlich die Heunenschätze geteilt?
Die beiden saßen aufrecht, der dritte war zu schwach,
Und trockneten mit Blumen des Blutes heißen Bach.
Herr Walther rief der Jungfrau: Sie kam mit bleichem Mund:
Mit linden Linnentüchern verband sie alles was wund.
Darauf gebot ihr Trauter dem schönen Mägdelein:
„Kredenz uns jetzt zur Sühne den kühlen Labewein.
Der erste trinke Hagen, das ist ein guter Held,
Wenn er, die er geschworen, die Schwüre redlich auch hält.
Dann reiche mir den Becher, der mehr als alle litt;
Des Trankes Neige teile dem Frankenkönig mit:
Bei unsern Heldenspielen vergoss er wenig Schweiß;
Wie nun die Wund ihn kühle; vom Kämpfen ward ihm nicht zu heiß.“
In allem ihm willfahrte die Tochter Herrichs.
Obwohl des Tranks begierig, verbat der Franke sichs:
„Nicht mir gebührt die Ehre, erst bring ihn deinem Herrn:
Er ist mir überlegen, der Braut gesteh ich es gern.
Nicht über mich nur ragt er, über alle hoch hinaus.“
Da begann der dornge Hagen mit Walthern neuen Strauß.
Mit unbezwungnem Mute, wiewohl am Leibe krank,
Sah man die Helden scherzen bei des Weines heiterndem Trank.
Wie sie zuvor die Hiebe gewechselt und den Speer,
So tauschten sie nun Worte, der Witz flog hin und her.
Der Franke sprach: „In Zukunft, wenn du den Hirsch erjagst,
Von dessen Leber Handschuh‘ du zahllos gewinnen magst,
So fülle dir den rechten mit des Hirschen zartem Haar:
So glaubt man dich zweihändig und doch ist es nicht wahr.
Es war so viel Gerede von deiner starken Faust;
Es kann geschehn, dass manchem noch vor dem Scheinbilde graust.
Bald gilt an deinem Hofe ein angelneuer Brauch:
Du fichtst nun mit der Linken, die Goten werdens auch,
Und wer noch mit der Rechten sein Weib umarmt und küsst,
Der ist ein Hochverräter, der zappeln muss am Gerüst.“
Nun war die Reih an Walther, dass er die Lanze warf:
„Wie blickst du in die Zukunft mit einem Aug so scharf!
Ich kann mit meinen beiden doch besser prophezein:
Vernimm, du sollst ein König unter Blinden künftig sein.
Du wirst auf einer Seite dem Dienervolk misstraun,
Beim Gruß mit queren Blicken auf deine Helden schaun.
Wenn ich den Hirsch erjage, verfehlt die Sau dein Spieß.
Aus alter Freundschaft raten will ich, Trojaner, dir dies:
Sobald du heim kommst, hole dir Milch und Mehl herbei:
Die lass zusammen kochen, so gibt es einen Brei.
Dein Auge wird dich schmerzen, da kommt der Brei dir recht;
Beginnt dich dann zu hungern, so schmeckt die Pappe nicht schlecht.“
So erneun sie unter Scherzen im Blut die Brüderschaft,
Und immerdar bewährte sie fürder ihre Kraft.
Den lahmen König hoben die beiden dann aufs Pferd,
Bevor gen Worms die Franken, der Held zur Heimat sich kehrt.
Da empfing man wohl den Kühnen mit seiner schönen Braut;
Auch ward ihm Hildegunde bald festlich angetraut.
Sie liebten ihn im Lande, wo nach des Vaters Tod
Er dreißig Jahre glücklich dem Volk der Goten gebot.
Was seine Kraft vollbrachte seitdem in manchem Streit,
Davon ist viel gesungen in deutschen Landen weit;
Die Mär hat hier ein Ende: Uns sagt das Waltherslied
Nur wie er mit Hilgunden aus der Heunen Lande schied.
Was man vor tausend Jahren in deutschen Wäldern sang,
Ein Mönch, dem in der Zelle die Weile wurde lang,
Hat es uns aufgeschrieben in römscher Sprache Laut,
Ein Sänger jüngst aufs neue der deutschen Zunge vertraut.