Wie Walther Gunthers Helden besteht und zuerst vier Recken
Da schickte seinen Herold Herr Gunther aber fort:
„Geh hin und sag, ich heische von ihm den ganzen Hort.
Verweigert ers, ich kenne dich kühn und stark genug:
Nimm mit Gewalt die Beute, wenn deine Hand ihn erschlug.“
Da ritt der kühne Recke, von Metz Herr Ortewein;
Die guten Waffen glänzten ihm hell im Mondenschein.
Als er dem Gaste nahte, rief er ihm zu von fern:
„Dem Frankenkönig schicke den ganzen Hort, meinem Herrn,
Dass heil du bleibst und länger den Lebenden gesellt.“
Er hatt es wohl vernommen, doch schwieg der starke Held;
Er hätte gern näher den grimmen Feind geschaut.
Als dieser nun heran ritt, da wiederholt‘ er es laut:
„Dem König, meinem Herren, gib all dein rotes Gold,
Gib seinen Schatz ihm wieder, so wird sein Herz dir hold;
Wo nicht, so musst du sterben: Die Wahl ist dir gestellt.“
Noch immer Frieden hoffend versetzte Walther der Held:
„Was soll ich wiedergeben? Das Wort ist mir zu rund.
Hab ichs dem König Gunther gestohlen? Tu mir kund;
Hat er mir Geld geliehen, das also wuchern soll?
Heischt er von seinem Lande so übermäßigen Zoll?
Hab ichs verheert, verwüstet, indem ich es durchschritt?
Hab ichs geplündert, führ ich den Raub im Schreine mit?
Ist dieses Volk den Gästen so hart gesinnt und scharf,
Dass niemand mit den Füßen den Grund berühren ihm darf?
Wohlan, ich will die Wege versteuern, die ich ging:
Zweihundert goldne Spangen, der Zoll ist nicht gering,
Send ich dem König: Werde der Friede mein Gewinn.“
Doch Ortewein versetzte, der Held, mit wölfischem Sinn:
„Du musst erst besser bieten: Tu deine Kisten auf,
All deine goldnen Schätze, da kommt zu Stand der Kauf.
Ich will nicht länger zanken hier wie ein altes Weib:
Gib was wir fordern, oder verliere Leben und Leib.“
Er sprachs und in die Fessel des Schildes fuhr sein Arm
Bis an den Ellenbogen: Das schuf dem Feind nicht Harm.
Da fasst‘ er auch die Lanze und schoss mit ganzer Kraft,
Dass zischend durch die Lüfte hinfuhr der eschene Schaft
Doch klüglich mied der Jüngling den scharf gewetzten Stahl:
Da fuhr er in den Boden und schuf kein blutig Mal.
„Willst du nun also dingen?“, hub Walther an der Held,
„Mir ist es recht.“ Schon hatt er den Speer hinüber geschnellt.
Der traf die linke Seite des Schilds mit voller Macht;
Dann Ortweins Hand, der eben das Schwert zu ziehn gedacht,
Durchbohrt‘ er samt der Hüfte; und weiter fuhr der Spieß,
Der aus der Hüfte dringend dem Pferd den Rücken durchstieß.
Das Ross empfand die Wunde, da schnobs und bäumte sich,
Und abgeschüttelt hätt es den Reiter sicherlich,
Doch hielt auf seinem Rücken der strenge Speer ihn fest.
Da greift mit seiner Linken, indem den Schild er entlässt,
Der Franke nach der Lanze, die Rechte zu befrein:
Den Speer herauszuziehen müht sich Herr Ortewein,
Dem so die Hände beide gefesselt sind zur Wehr.
Das sah der kühne Gote, da lief er eilends daher,
Zog ihm heraus die Lanze, stieß ihm ins Herz das Schwert:
Zusammen stürzten blutend der Reiter und sein Pferd.
Das sahen aus der Ferne die stolzen Franken wild;
Auch Hagen konnt es sehen dort auf dem Stein und dem Schild.
Den es am meisten schmerzte, das war Herr Skaramund,
(Seines Bruders Sohn, des Kimo geheißnen, ward uns kund)
Auch er von Metz gekommen mit Ortwein seinem Ohm.
Jetzt um des Vaters Bruder floss ihm von Zähren ein Strom,
Und seufzend sprach der Neffe: „Mich geht dies an allein:
Muss ich nicht selber sterben, wird süße Rache mein.“
Schon flog, der sterben sollte, der rasche Jüngling vor;
Kein andrer konnt ihm folgen, zu enge war das Felsentor.
Einen Speer mit breitem Eisen schwang er in jeder Hand.
Als er nun sah, wie Walther so unerschrocken stand
Und ruhig an der Felsburg als gäb es nicht Gefahr,
Da schwenkt‘ er Zähne knirschend des Rossschweifs wehendes Haar,
Und sprach: „Worauf vertraust du? Woher die Zuversicht?
Mich lockt nicht reiche Habe, um Schätze fecht ich nicht:
Den Ohm zu rächen komm ich, den du erschlagen hast.“
Darauf gab ihm zur Antwort der unvergleichliche Gast:
„Wenn ihr mich überweiset, dass ich den Streit begann,
Oder solcherlei Begegnung mein Tun entschuldgen kann,
So mag das Herz durchbohren dein Speer mir gleich zur Stund.“
Da warf der Lanzen eine aus seiner Hand Skaramund,
Und ließ die andre folgen. Der kühne Weigand
Mich einer aus, die andre entschüttelt‘ er dem Rand.
Da riss aus blanker Scheide Skaramund das Schwert sogleich,
Des Feindes Stirn zu spalten mit einem schmetternden Streich;
Doch mit verhängtem Zügel trug ihn das Ross zu nah:
Aus Wunden Blut zu locken umsonst versucht‘ er da.
Er traf ihm mit dem Griffe den Helm, der laut erklang,
Und helle Funken stoben, da dieser Hieb ihm misslang.
Das stolze Ross zu wenden bemühte sich der Held:
Da hatte Walther grausam ihm unters Kinn geschnellt
Der Lanze scharfes Eisen, dass er dem Sattel fiel.
So bracht er auch den Neffen, wie erst den Oheim ans Ziel.
Das Haupt vom Halse schied er ihm mit eignen Schwert.
Als Gunther sah erschlagen den jungen Helden wert,
Die grimmigen Genossen mahnt‘ er zu neuem Streit:
„Nun ist er müde, lasst ihm sich zu erholen nicht Zeit.
Bald schwinden ihm die Kräfte, dann lässt er uns das Gut
Und büßt verblutend selber für das vergossne Blut.“
Da ritt sich zu versuchen der dritte, Werinhard;
Er war von Xanten kommen, entflammt von trojischer Art:
Den Bogen und den Köcher an Speeres Statt er trug,
Von ferne streitend schoss er der Pfeile hin genug
Den Widerpart zu necken, der klar besonnen stand
Zum Schutz entgegenhaltend den siebenhäutigen Rand.
Oft wich er vor den Schüssen, oft fing sein Schild sie auf;
Des Schützen wurde ledig der Held zu leichtem Kauf.
Schon hatt er sich verschossen, der Köcher war ihm leer;
Der Held stand unverwundet: Darob ergrimmte jener schwer.
Zum Schwerte greifend ritt er heran auf schnellem Ross:
„Du wusstest schlau zu meiden das lustige Geschoss;
So sollst du nun erproben des starken Armes Macht.“
Herr Walther gab zur Antwort, indem er freudig erlacht:
„Mir gleichen Kampf zu bieten hast du zu lang gesäumt:
Heran, du wirst nicht klagen, dass ich die Zeit verträumt.“
Er warf mit ganzen Kräften den Speer aus seiner Hand:
Der traf des Feindes Mähre, der er im Herzen stille stand.
Das Ross, das hoch sich bäumte, die Luft und Hufen schlug,
Entschleuderte dem Sattel den Reiter, den es trug
Und fiel auf ihn darnieder. Herr Walther sahs und sprang
Herzu, das Schwert zu rauben, das seiner Faust er entrang.
Dann ihn des Helms entblößend wand er das gelbe Haar
Sich um die starke Linke. Der Franke flehte zwar,
Doch wollt ihn nicht erhören, wie sehr er bat, der Held:
„So hast du nicht gesprochen, als du die Pfeile geschnellt.“
Er sprachs und ließ ihn liegen, dem Rumpf gebrach das Haupt.
Drei Leichen hatten Gunthern noch nicht des Muts beraubt,
Noch mahnt‘ er die Genossen, den Recken zu bestehn.
Er dachte nicht, das heiße sich den Tod zu holen gehn.
Da hub sich aus zum Vierten der Sachse Eckefried,
Der einer Blutschuld willen die liebe Heimat mied.
Den er erschlagen hatte, der zählte Rächer viel;
Jetzt sprengt‘ auf scheckgem Wallach er vor zum blutigen Spiel.
Als er bereit den Starken sah stehen, hub er an:
„Bist du kein leiblich Wesen, das man berühren kann?
Ein eitel Luftgebilde, das jedem Hieb entschlüpft?
Ein Schrat willst du mir scheinen, der in den Wildnissen hüpft.“
Da gibt ihm Walther Antwort, indem er laut erlacht:
„Ich hör es an der Sprache und seh es an der Tracht,
Du stammst aus Listfahlen, wo man sehr listig ist.
Wohlan, so komm denn näher und tu mir kund deine List.
Und kommst du jemals wieder nach Sachsenland zurück,
So melde den Listfahlen was für ein prächtig Stück
Von einem Schrat erwittert du hast im Wasgenwald.“
„Nun, wer du bist,“ sprach jener, „erkunden werd ich es bald.“
Da zuckt‘ er mit dem Riemen den wohl beschlagnen Speer:
Dem bog am Schild die Spitze, da macht‘ er Linksumkehr.
Doch gab ihm Walther Antwort mit seiner Esche Kraft:
„Listfahle, zum Geskenke skickt dir der Skrat diesen Skast:
Der ist kein Kostverächter, wie den du hergesandt.“
Durch Holz und Leder bohrte dem festen Schildesrand
Der Speer, und durch den Panzer bis in der Lung er saß:
Dem Ross entschleudert rollte der arme Eckfried ins Gras,
Und Bäche Blutes schossen ihm schwarzrot aus dem Hals:
So traf ihn hier die Schwere des dort gemiednen Falls.
Sein Ross ergriff da Walther und trieb es hinter sich
In die begrünte Halle: Da mocht es weiden ruhiglich.