Wie Walther mit Hildegunden zu sprechen kam
Nun kam gewisse Märe in Etzels Königsstadt,
Ein Grenzvolk, das erst neulich sein Schwert bezwungen hat,
Steh wieder in den Waffen empört zu offnem Streit.
Das schien den Ruhm zu mehren Walthern gelegene Zeit.
Er sammelte die Scharen und musterte sein Heer;
Vom mutgen Rosse grüßend schwingt er die blanke Wehr,
Nennt jeglichen mit Namen, der einst schon mit ihm focht
Und spricht beredte Worte, bis allen Mut im Herzen pocht:
„Gedenkt der alten Siege und lasst sie uns erneun,
Den Feind, den oft geworfnen, den dummen Trotz bereun.
Wir müssen ihn vertilgen, der so Treue bricht:
Den Heunen zu gehorchen ist allen Erdenvölkern Pflicht.“
Da galt kein länger Säumen, die Scharen saßen auf
Und ritten durch die Fluren in ungehemmtem Lauf.
Bald sahen sie die Feinde gelagert auf dem Feld:
Da ordnete das Treffen Walther der siegreiche Held.
Schon stehen sich gegenüber die Scharen dicht gedrängt,
Der Marschall gibt das Zeichen, mit lautem Feldruf sprengt
Die Schar der Schar entgegen und hin und wieder fliegt
Der Wurfspieße Regen, dem mancher Weigand erliegt.
Die wilde Kirsche kreuzte sich mit dem Eschenschaft,
Das Speereisen blitzte beschwingt von Heldenkraft,
Und wie im Winde wirbelnd die Flocken niederschnein,
So flogen die Geschosse dicht auf die feindlichen Reihn.
Wie nun in beiden Heeren die Spieße sind versandt,
Da fährt zur linken Seite geschwind die rechte Hand
Und reißt aus der Scheide das leuchtende Schwert:
Sie sprengen aufeinander zu neuem Kampfe bewehrt.
Da birst vom jähen Anlauf manch guter Mähre Brust,
Viel kühner Streiter stürzen zu Boden unbewusst,
Vom harten Schild getroffen und von des Buckels Knauf.
Da ritt der starke Walther all seinen Helden vorauf.
Eine breite Gasse brach sich der Recke lobesam
Und mähte siegreich nieder was ihm zu nahe kam:
Zur Rechten und zur Linken schlug er viel Wunden rot;
Bald scheuten ihn die Feinde wie den leibhaftgen Tod.
Schon wars mit ihrem Mute, mit ihrem Trotz vorbei.
Sie wandten sich und gaben dem Ross die Zügel frei;
Die Schilder auf dem Rücken enteilten sie der Schlacht.
Da folgten ihm die Heunen, der solche Gasse gemacht.
Sie fielen ungestümer in die gebrochnen Reihn
Und jagten die noch standen den andern hinterdrein.
Dann setzten sie den Fliehenden so lange mordend nach
Bis nichts zum vollen Siege dem Heunenvolke gebrach.
Wie das nun beutelustig sich auf die Leichen stürzt,
Und manchem Wunden grausam des Lebens Hoffnung kürzt,
Da rief mit krummen Horne der Feldherr sie vom Raub
Und kränzte sich die Stirne zuerst mit grünendem Laub,
Darauf die Fahnenträger, das reisge Volk alsbald
Mit Reisern und mit Maien, als wandelte der Wald.
So kehrten sie mit Singen zurück ins Heunenland.
Da hat zur lieben Heimat sich jeder Kämpe gewandt;
Herr Walther aber eilte zu Etzels festem Haus.
Wie sie ihn sahen, sprangen die Diener froh heraus
Und hielten ihm den Bügel, als er vom Rosse stieg.
Sie fragten ihn, ob glücklich geendet wäre der Krieg?
Mit kurzen Worten gab er genügenden Bescheid,
Und trat ins Haus zu ruhen vom mühselgen Streit.
Da fand er Hildegunden allein im Königssaal,
Die einst ihm Anverlobte und noch die Maid seiner Wahl.
Da drückt‘ er auf die Lippen ihr einen süßen Kuss:
„Gib mir zu trinken,“ bat er, „eh ich verdursten muss.“
Da ließ sie ihn nicht warten, sie war dem Kühnen hold:
Mit goldnem Weine füllte sie schnell den Becher von Gold
Und reicht‘ ihn hin dem Sieger, der ihn bekreuzend nahm,
Der Jungfrau Hand in seine dann schloss, die sonder Scham
Es ließ geschehn und schweigend nur las in seinem Blick.
Herr Walther trank und reichte den leeren Becher zurück.
Sie wusste sich dem Jüngling verlobt in alter Zeit.
Da sprach der edle Degen zu der erwünschten Maid:
„Wir heimatlosen beide, die langes Elend hält,
So fern den lieben Eltern, doch uns so nahe gesellt,
Die wir Verlobte waren nach unsrer Väter Rat,
Wie oft ist dir der Jüngling, o Jungfrau, schon genaht,
Und nie ein Wort vergönnte mir deiner Lippen Rund,
Nie einen Laut gesprochen hat dir von Liebe mein Mund.
Warum uns das verschweigen was Elend mildern kann,
Da wir doch Trost bedürfen hier in der Fremde Bann?“
Noch traute nicht die Gute des Jünglings ernstem Wort;
Erst schwieg sie eine Weile, dann sah sie auf und sprach sofort:
„Wie heuchelt deine Zunge was nicht empfand dein Herz?
Mit süßem Munde sprichst du mir Hohn mit bittern Scherz.
Zum Minnebunde laden dich Königinnen ein:
Wie dächtest du Hildgunden, die niedre Magd, dir zu frein?“
Da gab der Jungfrau Antwort und sprach der weise Held:
„O lass von solcher Rede, sprich mit mir unverstellt.
Auch ich sprach unverhohlen wie ichs im Herzen trug:
Es ist die lautre Wahrheit, ich weiß von keinem Betrug.
Wir dürfen offen sprechen, wir beide sind allein.
Wüsst ich gewiss, du könntest mir noch gewogen sein
Und aller Welt verhehlen, was ich dir will vertraun,
Ich ließe dich zur Stunde meines Herzens Tiefe schaun.“
Da stürzt‘ ihm vor die Füße und sprach die schöne Magd:
„Gebiete mir, ich leiste was dir, mein Herr, behagt,
Und niemand soll mich hindern, was du befiehlst, zu tun:
O wolle Hildegunden nur zu gebieten geruhn.“
Da hob sie von der Erde Herr Walther auf und sprach:
„So wisse, lange widert mir der Gefängnis Schmach:
Mit Sehnen denk ich immer an meiner Heimat Land;
Auch hätt ich heimlich fliehend mich schon von hinnen gewandt,
Oft war die Stunde günstig; doch ohne Dich, mein Lieb –
Wie konnt ich Heunland meiden, wenn Hildegunde blieb?
Nun sprich, willst du mir folgen? Ich lasse nicht die Braut.“
Da blickt‘ ihn an die Jungfrau und sprach mit herzlichem Laut:
„Gewiss, das ist mein Wille, ich begehr es besser nicht:
Willst du mich fliehen lehren, gern leist ich jede Pflicht.
Ob ichs im Tode büße, ob es zum Heil gereicht,
Ich lebe deiner Liebe, mit dir zu sterben wird mir leicht.“
Da raunte seinem Mägdlein der edle Held ins Ohr:
„Dich setzten ihren Schätzen die Heunenfürsten vor;
So merke was ich sage: Des Königs eisern Kleid,
Der Helm und der Harnisch sei zu der Flucht mir bereit.
Dreidrähtig hat den Panzer gewirkt ein weiser Schmied.
Dann nimm zwei mäßge Schreien und tu was ich dir riet:
Mit goldnen Spangen fülle sie beide bis zum Rand,
Dass du sie an dem Busen kaum heben magst mit der Hand.
Dann fertige zur Reise mir vier Paar starke Schuh;
Vier Paar gebrauchst du selber: Die schaffe dir dazu.
Lass dir auch heimlich schmieden gekrümmter Angeln zwei,
Dass unterwegs an Fischen und Vögeln uns kein Mangel sei.
Ich selber will dir fischen wenn andre Kost gebricht;
Auch muss ich Vögel fangen: Das ist ein gut Gericht.
Dies suche zu vollbringen in einer Woche Frist.
Du weist nun was zu haben uns Not den Fliehenden ist;
Wie wir von hinnen kommen mach ich dir jetzt bekannt:
Wenn nach den sieben Tagen der achte geht ins Land,
Zum Siegesfest bereiten lass ich ein köstlich Mahl
Dem König und der Königin und all den Helden im Saal.
In goldnen Schalen reich ich den Fürsten Met und Wein,
Den Rittern und den Knechten schenk ich tapfer ein
Und fülle sie, bis alle vom Übermaß berauscht
Im Saale schnarchend liegen, die Flucht uns keiner belauscht.
Du rühre kaum beim Mahle den trügerischen Saft;
Ich selber will nur nippen, so wahr ich Sinn und Kraft.
Eh jene sich erheben enteile du dem Schmaus:
Was zu beschicken nötig, das richte fleißig uns aus.
Wenn dann die üppgen Zecher des Weines Kraft bezwingt,
So flehen wir die Götter, dass uns die Flucht gelingt
Aus langem Elende ins liebe Heimatland.“
So ward es abgesprochen, verbürgt mit Mund und mit Hand.