Wie drei edle Kinder bei den Heunen vergeiselt wurden
Der stolze Heunenkönig, Herr Etzel war bedacht
Die Welt zu unterwerfen mit einer Heeresmacht.
Schon huldigten und zinsten ihm deutscher Völker viel:
Das große Reich der Franken, das nahm er jetzo zum Ziel.
Zu Wormes saß Herr Gibich, der Frankenkönig hehr:
Da kamen schnelle Boten und brachten üble Mär,
Die Heunen zögen siegreich einher vom Donauland,
Unzählbar wie die Sterne und wie am Ufer der Sand.
Das war dem reichen König im Herzen leid genug:
Da entbot er schnell die seinen, die er um Rat befrug.
Sie sprachen einstimmig: „Wir können ihm nicht stehn:
Lasst uns Geiseln geben und seinen Frieden erflehn.
„So wird uns stete Sühne; wir zahlen mäßgen Zins,
Wenn wir ihn willig bieten: Das bringt uns mehr Gewinns
Als Leut und Land verlieren, wohl gar den Tod erschaun
Mit unsern lieben Kindern und mit den wonnigen Fraun.“
Nun war ein edler Knabe, beherzt und lobesam,
Hagen geheißen, vom alten Trojerstamm:
Den dacht er zu vergeiseln, denn Gunther lag, sein Sohn,
Noch an der Mutter Brüsten, er wär dem Tod nicht entflohn.
Da sandt er König Etzeln an seines Kindes Platz
Diesen edeln Geisel zugleich mit reichem Schatz,
Und ließ um Frieden bitten: Der ward ihm nicht versagt:
Das Gold und auch der Geisel hatten Etzeln wohl behagt.
Den Franken gab er Frieden und ließ sie ohne Harm.
Da zog alsbald vorüber der wilden Völker Schwarm,
Den Rhein bei Breisach kreuzend, ins nächste Reich, Burgund.
Ihrer Waffen klirren schlug an des bangen Himmels Rund.
Die Erde dröhnte seufzend unter der Hufe Schlag;
Der Staub emporgewirbelt verdunkelte den Tag.
Das Feld mit roten Bannern durchzog der Eschenwald
Der Speere: Endlich macht‘ er am Saon- und Rhodanufer Halt.
Plündernd und sengend zerstreute sich das Heer.
Zu Chalons saß Herr Herrich, ein König stolz und hehr;
Dem blüht‘ in Hildegunden ein einzig Töchterlein:
Das edle Mädchen sollte seines Reiches Erbin sein.
Wie er nun ruhig thronte und dacht an keinen Sturm,
Da scholl die Warnungsstimme des Wächters ihm vom Turm:
„Staubwolken seh ich steigen, fern blitzen Waffenpracht:
Uns nahen starke Feinde, geschwind die Tore zugemacht!“
Auch kamen schnelle Boten aus der Franken Land,
Die machten ihm was dorten geschehen war bekannt.
Da berief er seine Mannen und frug, ob er dem Heer
Der Heunen widerstände? „Doch fällt zu siegen uns schwer.
Die Rheinfranken beugten sich vor der Heunen Macht;
Wie sollt es uns gelingen, die wir in mancher Schlacht
Den Franken weichen mussten? Wir können unser Reich
Und Land nicht mehr behüten: Drum besser Frieden bitten gleich.
Wir müssen Zins erlegen, auch muss der Völker Bund
Mein einzig Kind verbürgen, die süße Hildegund.
Von solcher Pflicht, ich seh es, spricht niemand hier mich los.“
Da gingen die Gesandten aller Waffen bar und bloß.
Sie traten demütig in Etzels Königszelt:
Er saß auf hohem Throne, um ihn manch edler Held.
Was ihnen aufgetragen, das richteten sie aus
Und baten abzulassen von des Krieges Brand und Graus.
Etzel empfing sie gütig, wie seine Sitte war,
„Gern verstärk ich,“ sprach er, „der Bundesfreunde Schar,
Mag nicht den Sieg verdanken verderbenschwangrer Schlacht.
Die Heunen mehren lieber im Frieden Herrschaft und Macht;
Doch der muss unterliegen, der sie zum Kampfe zwingt.
Mag euer König kommen: Wenn er mir Frieden bringt,
Ich weigr ihm nicht den Frieden.“ Er ließ die Boten ziehn;
Mit großen Schätzen musste der König Herrich dahin,
Mit goldroten Spangen und manchem teuern Stein;
Auch ließ er da zu Pfande sein einzig Töchterlein.
Ob er sie wieder schaue, das war ihm unbewusst,
Sein allerliebstes Kleinod, seiner Augen Licht und Lust.
Der Friede war bedungen, erzielt zu teuerm Kauf.
Da brach mit seinen Scharen der König Etzel auf
Gen Abend weiter dringend in der Goten Reich:
Da gebot im Waskenlande ein König edel und reich.
Alpker war sein Name: Der hatte frühe schon
Der Tochter König Herrichs verlobt den einzgen Sohn.
Walther hieß der Knabe: Dem sollte Hildegund
Dereinst als Brautschatz bringen ihrer Väter Reich, Burgund.
Als jetzt ihm Kunde wurde von des Frankenreiches Fall,
Dass auch Burgund erliege, sein letzter Schutz und Wall,
Da hub er an zu zagen, die Sorge drückt‘ ihn schwer.
In Waffen obzusiegen blieb keine Hoffnung mehr.
„Was sollen wir beginnen?“, sprach er in seinem Sinn.
„Was frommts, zum Kriege rüsten? Es bringt uns nicht Gewinn.
Das stolze Reich der Franken, Burgund hats nicht gewagt:
Was die sich nicht erdreistet, das ist den Goten versagt.
„Ich will ihm Boten schicken, der manches Volk bezwang;
Ihn kann doch nichts mehr hemmen in seines Sieges Gang.
Ich biet ihm teure Schätze; dazu mein einzig Kind,
Mein Walther muss ins Elend, dass er mir Frieden gewinnt.“
Den edeln Geisel schickt‘ er, dazu das reiche Gut.
Da zog aus seinen Marken der wilden Völker Flut.
Mit unermessner Beute, mit teuerm Raub beschwert,
Sind da zum Donaulande die stolzen Heunen heimgekehrt.
Sie freuten sich des Sieges, erfochten ohne Streit,
Und ihrer edeln Geisel, Hilgund der schönen Maid,
Hagens und Walthers, der Fürstensöhne hehr.
Wir singen auch und sagen von diesen beiden noch mehr.